Ein Blick an die Rettungswachen bei unseren tschechischen Nachbarn

Dienstag, 1. Dezember 2015

Im Osten nichts Neues? Doch!

Ein Blick an die Rettungswachen bei unseren tschechischen Nachbarn - was tut sich hier aktuell in den Fuhrparks? Vielerorts hält sich immer noch hartnäckig die Meinung, dass die Ausstattung der BOS - und vor allem der Rettungsdienste - bei unseren östlichen Nachbarn noch auf dem Standard der Zeit des "eisernen Vorhangs" ist und man dort eh "nur" Lada, Škoda und Co fährt. Dank unserer guten Kontakte in die Tschechische Republik können wir euch heute nicht nur vom Gegenteil überzeugen, sondern euch gleichzeitig auch einen Vorgeschmack auf einige interessante Fahrzeuge für unsere Datenbank geben.

In der Tschechischen Republik wurde in den vergangenen Jahren ein Wandel in den Fuhrparks der Rettungsdienste vollzogen, der beachtlich ist. Rückten dort zu Notrufen über die Notfallnummer 155 zu Zeiten der "samtenen Revolution" 1989/1990 nahezu ausschließlich spärlich ausgestattete Kleinbusse des Typs Škoda 1202/1203 als KTW, RTW oder NAW aus, findet sich heute ein gänzlich anderes Bild. Die in der "Nachwendezeit" eilig beschafften, teils gebrauchten, Fahrzeuge wichen in den folgenden Jahren schnell einheitlichen Fahrzeugkonzepten. Als Träger des Rettungsdienstes und mithin maßgebliche Fahrzeugbeschaffer treten bei unseren Nachbarn übrigens die 14 Verwaltungsregionen des Landes (13 Regionen plus Prag als Hauptstadt) auf.

Ein Rettungswagen des Prager Rettungsdienstes wie er in der Zeit vor 1989 zum Standard gehörte. Als Fahrgestell kommt ein TAZ / Škoda1203 mit Ausbau von Chirana in der heutigen Slowakei zum Einsatz.

Ein Rettungswagen des Prager Rettungsdienstes wie er in der Zeit vor 1989 zum Standard gehörte. Als Fahrgestell kommt ein TAZ / Škoda1203 mit Ausbau von Chirana in der heutigen Slowakei zum Einsatz.

Bei Neubeschaffungen konnte sich - mit Ausnahme der Hauptstadt Prag - nahezu landesweit VW mit seinen Modellen der Transporter-Reihe durchsetzen. Den Ausbau der als RTW und NAW gelieferten Fahrzeuge fertigten dabei so gut wie ausnahmslos nationale Firmen wie beispielsweise FCS Ambulance (heute Sicar), FOSAN oder Medtec-VOP.

Die bereits erwähnte Ausnahme stellte Prag dar. Dort beschaffte man nicht nur recht früh Fahrzeuge nach dem Rendezvous-Konzept, man setzte mit Sprintern als RTW und Nissan Primera und Patrol als NEF auch auf andere Fahrgestelle. Die Prager RTW kamen dabei längere Zeit aus Deutschland, genauer gesagt von der Firma Miesen.

Ein Rettungswagen des Prager Rettungsdienstes wie er in der Zeit vor 1989 zum Standard gehörte. Als Fahrgestell kommt ein Mercedes-Benz Sprinter 312D zum Einsatz, der Ausbau stammt von Miesen.

Ein Rettungswagen des Prager Rettungsdienstes wie er in der Zeit vor 1989 zum Standard gehörte. Als Fahrgestell kommt ein Mercedes-Benz Sprinter 312D zum Einsatz, der Ausbau stammt von Miesen.

Die Vorreiterrolle der Hauptstadt bezüglich der Nutzung von RTW und NEF fand bald Nachahmer und so wurden bis 2013 in allen Regionen schrittweise auch NEF in Dienst gestellt - teilweise unter Beibehaltung von NAW-Standorten.

Auch sonst veränderten sich die Fuhrparks maßgeblich. Mit der Region Südmähren und ihrer Hauptstadt Brünn (Brno) zog ein zweiter Rettungsdienst bei der Beschaffung von Mercedes Sprintern nach, im Unterschied zu Prag allerdings nicht als Koffer- sondern als Kastenaufbau. Der Rest des Landes blieb bis 2015 fest in der Hand von VW, bei NEF setzte man landesweit vornehmlich auf Škoda Octavia und Yeti. Auch hier stellte Prag mit NEF auf Mercedes-Benz ML eine Ausnahme dar. Den Prager Rettungsdienst und seine Einsatzfahrzeuge stellen wir bei Interesse gerne gesondert vor.

Ein typischer Vertreter der Generation der in den 1990er Jahren neu beschafften Rettungsmittel in der Tschechischen Republik. Volkswagen T4 des öffentlichen Rettungsdienstes der Region Südböhmen aus der Stadt Písek.

Ein typischer Vertreter der Generation der in den 1990er Jahren neu beschafften Rettungsmittel in der Tschechischen Republik. Volkswagen T4 des öffentlichen Rettungsdienstes der Region Südböhmen aus der Stadt Písek.

Schauen wir ganz aktuell zu unseren Nachbarn, so lassen sich dort zwei wesentliche Veränderungen feststellen. Die erste hiervon betrifft die Optik der eingesetzten Fahrzeuge. Nach einer landesweiten Verordnung müssen neu beschaffte Rettungsmittel seit diesem Jahr über eine gelbe Farbgebung verfügen und mit der sog. Battenburg-Markierung in grüner Farbgebung versehen sein. Hierüber wird in Fachkreisen nicht nur eifrig diskutiert, weit überwiegend wird eine Rückkehr zur bisher üblichen gelb-roten Farbgebung präferiert.

Mercedes-Benz Sprinter mit Ausbau von Profile Vehicles als RTW der Region Karlsbad in der aktuell in der Tschechischen Republik verwendeten
Mercedes-Benz Sprinter mit Ausbau von Profile Vehicles als RTW der Region Karlsbad in der aktuell in der Tschechischen Republik verwendeten grünen Battenburg-Markierung. 

Die zweite Veränderung betrifft die Wahl der verwendeten Fahrgestelle. Während es bei NEF immer wieder "Ausnahmen" und Abweichungen von den gern genommenen Škoda gab - etwa einen VW Touareg im Bereich der Stadt Königgrätz, blieb es in den vergangenen Jahren für Fahrzeuge zum Patiententransport beim Quasi-Monopol von VW. Dieses fiel 2015, als sich gleich drei fest in VW-Hand befindliche Regionen unabhängig voneinander für die Beschaffung von RTW auf Fahrgestellen von Mercedes-Benz entschieden.

In der nordwestlichen Region Reichenberg (Liberecký kraj) wurden vor wenigen Tagen die ersten Sprinter mit Ausbau des tschechischen Herstellers FOSAN vorgestellt. Diese werden ab Januar zu Einsätzen ausrücken und nach und nach RTW auf VW T5 und vereinzelt noch vorhandene Reservefahrzeuge auf VW T4 ablösen. Auch die im Westen anschließende Region Königgrätz (Královéhradecký kraj) setzt künftig auf Rettungsmittel mit Stern. Den Ausbau der Fahrzeuge nimmt allerdings erstmals nicht die ortsansässige Firma Medtec-VOP vor, er kommt aus dem ungarischen Werk von Profile Vehicles. Ein erstes Fahrzeug dieser Generation wurde kürzlich vorgestellt, auch hier wird die Indienststellung im Januar erfolgen. Auf die gleiche Kombination von Hersteller und Ausbauer setzt man aktuell auch in der Region Karlsbad (Karlovarský kraj). Hier verrichten erste Sprinter von Profile bereits seit wenigen Tagen ihren Dienst, weitere Fahrzeuge werden folgen.

Neuer RTW für die Region Reichenberg: Sprinter mit Ausbau des tschechischen Unternehmens FOSAN.

Neuer RTW für die Region Reichenberg: Sprinter mit Ausbau des tschechischen Unternehmens FOSAN.

Auch VW kam jedoch 2015 bei unseren tschechischen Nachbarn zum Zuge. Etwa in der Region Hochland (Vysočina), wo ein Teil des VW-Fuhrparks modernisiert wurde, sowie in der Region Zlín (Zlínský kraj). Dort setzt man auf die auch in anderen Regionen beliebte Kombination aus VW T5 und Kofferaufbau von Strobel. Den Innenausbau nahm hier die tschechische Firma FD Servis vor.

Auch VW kam noch zum Zuge: RTW mit Strobel-Koffer und Ausbau von FD-Servis für die Region Zlín.

Auch VW kam noch zum Zuge: RTW mit Strobel-Koffer und Ausbau von FD-Servis für die Region Zlín.

Und da man sich die besten Nachrichten ja bekanntlich immer bis zum Schluss aufheben soll, können wir uns an dieser Stelle nun freuen. Denn zu allen erwähnten Fahrzeuge liegen und schon erste Fotos vor, sie werden in Kürze ihren Weg in unsere Datenbank finden.

Wir freuen uns, euch aufgrund unserer guten Kontakte auch ins Ausland solche Einblicke bieten zu können. Und sollten solche Nachrichten bei euch auf Interesse stoßen, wird dieses sicherlich nicht der letzte Einblick seiner Art gewesen sein.

Text: Lars Kocherscheid-Dahm
Bilder: Lars Kocherscheid-Dahm, Tomáš Buchtela und Václav Porkát (www.modrahvezdazivota.cz)


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