Im Vergleich mit dem in der gleichen Gewichtsklasse angebotenen Opel Blitz 3,6 (hier geht es um 3,6 Liter Hubraum) konnte er nicht mithalten. Dieser in Brandenburg/Havel gebaute Lastwagen hatte einen Benzinmotor (aus dem Opel Admiral) mit 75 PS, der jedoch des besseren Drehmomentverlaufes wegen in der zuletzt ausschließlich produzierten Militärversion auf 68 PS gedrosselt worden war. Er erwies sich im Wehrmachtseinsatz als deutlich zuverlässiger und robuster. Seine (in der Normalausführung) nur 3.600 mm Radstand machten ihn wesentlich wendiger, darüber hinaus verfügte er bereits in der Straßenversion über ein ausgezeichnetes Fahrverhalten im Gelände. Mit über 120.000 gelieferten LKW-Fahrgestellen wurde der Opel Blitz Dreitonner zum meistgenutzten LKW der Wehrmacht.
Sein großer Vorteil war das deutlich bessere Gewichtsverhältnis: 5800 kg zulässigem Gesamtgewicht standen hier 3.300 kg Nutzlast gegenüber. Beim Mercedes-Benz L 3000 S betrug das Verhältnis 6.700 kg zu 3.100 kg. Je länger der Krieg dauerte, desto stärker rückte noch ein weiterer Gesichtspunkt in den Vordergrund: Entscheidend für die Produktion war das so genannte Kontingentgewicht, also die Menge an Rohmaterial, die für die Herstellung eines Produktes erforderlich war. Hier konnte man mit dem Kontingentgewicht von zwei Mercedes-Benz L 3000 S drei Opel Blitz 3,6 herstellen.
Es kam, was kommen musste: Die große Überlegenheit des Opel Blitz veranlasste die Dienststelle von Rüstungsminister Speer, im Juni 1942 der Daimler-Benz AG gegenüber die Einstellung der L 3000-Produktion anzuordnen. Die frei gewordenen Kapazitäten sollten für eine Lizenzfertigung des Opel Blitz 3,0t genutzt werden. Das stieß in Stuttgart nicht auf Gegenliebe, man hatte in der Geschäftsleitung keine großen Ambitionen, ein Fremdprodukt zu bauen und die Verbesserung der eigenen Modelle zu vernachlässigen. Auch Opel „mauerte“ und überließ dem Konkurrenten keinerlei passende Produktionsmaschinen. Schließlich sollte man lediglich 800.000 Reichsmark Entschädigung von der Reichsregierung für die Überlassung der Patente und Fertigungsunterlagen erhalten. Übrigens sollte nicht nur Daimler-Benz, sondern auch Borgward in Bremen den Opel Blitz nachbauen. Die starke Zerstörung des Sebaldsbrücker Werkes machte hier aber 1944 weitere Überlegungen der Machthaber zunichte.
Letztendlich blieb der Daimler-Benz AG nichts anderes übrig, als sich der Anordnung zu fügen, wenn sie weiter in der Produktion mittlerer Lastwagen tätig sein wollte. Ansonsten war die Gefahr zu groß, zur Herstellung von branchenfremdem Kriegsmaterial gezwungen zu werden. Damit drohte der völlige Verlust der LKW-Herstellung, dann sicher endgültig.
Trotz der kriegsbedingten Versorgungsprobleme entstanden in mühsamer Arbeit die Fertigungsmaschinen für eine Lizenzproduktion. Es kostete die Daimler-Benz AG große Anstrengungen, die sehr fortschrittliche und auf hohe Stückzahlen ausgelegte Fließbandproduktion in den modernen Fertigungshallen bei Opel in Brandenburg auf die beengten Verhältnisse in Mannheim zu übertragen, zumal nebenbei anfangs noch die Produktion des L 3000 S in gedrosselter Form weiter ging .
Im Juli 1944 war es dann soweit: Bei Daimler-Benz wurden keine eigenen mittelschweren LKW mehr gebaut. Die ersten Exemplare des nun L 701 genannten Lizenzbaus verließen die Werkshallen in Mannheim. Als Führerhaus wurde nur noch die eckige Einheitskabine aus Holzleisten und Holzhartfaserplatten verwendet, die überdeutlich die Materialknappheit in den letzten Kriegsmonaten zeigte. Produziert wurde der Opel-Abkömmling in der Wehrmachtsausführung von 1942, teilweise mit einem aus der Kühlermaske herausragenden Kühler. Der Mercedes-Stern wurde diesem „Pflegekind“ übrigens genauso verweigert wie das Blitz-Emblem.
Anfang August 1944 wurde das Opel-Werk in Brandenburg durch Fliegerangriffe so stark zerstört, dass die LKW-Produktion dort endgültig eingestellt werden musste. Da bei Klöckner-Humboldt-Deutz inzwischen auch keine mittelschweren LKW mehr gebaut wurden, war das Daimler-Benz-Werk Mannheim jetzt reichsweit der einzige Hersteller des Dreitonners und produzierte bis Kriegsende noch 3.500 Stück. Am 11. April 1945 besetzten Einheiten der 7. US-Armee das Werk, die Produktion stand zunächst still.
Es gibt keine Belege dafür, dass in dieser Zeit noch Fahrgestelle für Feuerwehren ausgeliefert wurden. Die bekannt gewordenen Feuerwehrfahrzeuge der Baujahre 1944/45 sind entweder „echte“ Opel-LF aus Brandenburg (vgl. z.B. https://bos-fahrzeuge.info/einsatzfahrzeuge/75754/ ) oder nach Kriegsende umgebaute Opel-LKW ( https://bos-fahrzeuge.info/einsatzfahrzeuge/93047/ ). Dennoch kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass tatsächlich noch vor Kriegsende das eine oder andere L 701- Feuerwehrfahrzeug entstanden ist.
Neuanfang mit einem Kind fremder Eltern
Mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 war der 2. Weltkrieg in Europa zu Ende. Deutschland lag in Trümmern, war in vier Besatzungszonen aufgeteilt, Millionen Kriegsgefangene wurden allmählich aus den Lagern entlassen und kehrten heim in zerstörte Städte, noch viel mehr Zivilisten waren geflohen oder wurden aus den Ostgebieten vertrieben. Hunger und Not waren in den ersten Nachkriegsjahren an der Tagesordnung. Der Bedarf an Waren des täglichen Lebens war gewaltig, es fehlte aber vielfach an intakten Produktionsstätten und vor allem an Transportkapazität.
Die eigene Fahrzeugentwicklung der Daimler-Benz AG war durch den Krieg und das Herstellungsverbot für den L 3000 unterbrochen worden. Sämtlich nicht für die Lizenzproduktion benötigten Maschinen waren eingeschmolzen worden. Es war also lediglich möglich, weiterhin den L 701 zu produzieren. Dazu wurde der eigentlich nur bis Kriegsende gültige Lizenzvertrag mit der Adam Opel AG zunächst für zwei Jahre verlängert.
Ein Glücksfall waren die relativ modernen, kaum zerstörten und dazu auch noch vom untergegangenen Staat bezahlten Produktionsanlagen in Mannheim. als wesentlich problematischer erwiesen sich die allgemeine Rohstoffknappheit und das Fehlen benötigter Zulieferprodukte. Dennoch konnte bereits ab Juli 1945 wieder der L 701 mit der improvisierten Einheitskabine und einer einfachen Pritsche auf die Räder gestellt. Die Kühlermaske wurde dabei wieder ausschließlich in der typischen Vorkriegsversion produziert. In der Betriebsanleitung wurde der L 701 als „3 Tonner Opel Blitz – Nachbau Daimler-Benz“ bezeichnet.
Die Produktion steigert sich schnell. 1946 rollen 1.497 Fahrgestelle in Mannheim vom Band, zwei Jahre später waren es schon 3.803. Vorher war 1947 der Lizenzvertrag ein weiteres Mal für zwei Jahre bis 1949 verlängert worden. Nach der Währungsreform vom 20. Juni 1948 liefert Opel aus Rüsselsheim wieder das ursprüngliche Stahlführerhaus. Bekannt geworden sind auch ein paar Fahrzeuge, bei denen noch vorhandene oder aufgearbeitete Führerhäuser des Mercedes-Benz L 3000 S verwendet wurden. In der Not der Nachkriegsjahre war eben jedes Mittel recht, um zum Ziel zu kommen. Wie auch schon bei den Kriegs-Lizenzfahrzeugen fehlte die Bezeichnung Opel Blitz am Kühlergrill, einen Mercedes-Stern gab es aber immer noch nicht. Nach 10.300 produzierten Nachkriegs-L 701 war am 10. Juni 1949 in Mannheim Schluss mit der Lizenzproduktion, man hatte bei der Daimler-Benz AG endlich wieder ein eigenes Produkt zur Serienreife geführt.
Auf dem L 701 entstanden auch schon die ersten Nachkriegs-Feuerwehrfahrzeuge, im Vergleich zur produzierten Fahrgestellzahl und unter Berücksichtigung der Zeitumstände sogar erstaunlich viele. Neben der Firma Metz waren hier vor allem lokale Karosseriebauer tätig. Die ersten Feuerwehrfahrzeuge ähnelten in ihrer kantigen Bauweise noch sehr der letzten Kriegsausführung, allmählich ging man aber bei der besser werdenden Versorgungslage wieder zu gediegener Handwerkskunst mit gewölbten Flächen zurück. Glücklicherweise wurden einige dieser Raritäten für die Nachwelt erhalten.
LF 15, Mercedes-Benz L 701 (Opel-Lizenzbau), Aufbau Metz (?), Baujahr 1947, WF Dr. F. Raschig, Ludwigshafen, im Einsatz bis 1984, seitdem in Sammlerhand.
LF 8, Mercedes-Benz L 701 (Opel-Lizenzbau), Aufbau Metz, Baujahr 1949, FF Hückelhoven, Museumsfahrzeug
LF 8, Mercedes-Benz L 701 (Opel-Lizenzbau), Fahrgestell Baujahr 1948, ursprünglich Pritschen-LKW, Aufbau vermutlich durch örtlichen Stellmacherbetrieb, ex WF Hanfwerke Immenstadt, jetzt in Sammlerhand
(wird fortgesetzt)
Text: Klausmartin Friedrich
Bilder: Klausmartin Friedrich
Literatur (u.a.):
Daimler-Benz AG (Hrsg.): Brandschutz mit Stern: Die Geschichte der Mercedes-Benz Feuerwehrfahrzeuge und ihrer Vorgänger (1888-2002); Stuttgart, 2007.
Daimler-Benz AG (Hrsg.): Sorgenkind und Glücksfall zugleich: Der L 701 – 65 Jahre Nachbau des Opel Blitz in Mannheim; Stuttgart, 2010.
Fischer, Klaus: Löschgruppenfahrzeuge LF 16; Berlin, 2005.
Oswald, Werner; Gihl, Manfred: Fahrzeuge der Feuerwehr und des Rettungsdienstes; Stuttgart, 1992.