Die Haubenfahrzeuge der Nachkriegszeit - Teil 32

Dienstag, 27. März 2018

Die Haubenfahrzeuge der Nachkriegszeit - Teil 32 - „langnasige“ Südwerke- und Krupp-Fahrzeuge (Baujahre 1950-1959)

In den 1950er Jahren entstanden zunächst in den Kulmbacher Hallen der Südwerke, später dann wieder in Essen und schließlich erneut unter dem Namen Krupp sehr formschöne und leistungsstarke Lastwagen. Nur in wenigen Fällen wurden diese Fahrgestelle aber für Einsatzfahrzeuge genutzt.

Nachdem die Westalliierten ab 1948 den deutschen Lastwagenherstellern die erneute Produktion von Dieselmotoren erlaubt hatten, machten sich die Konstrukteure der Südwerke in Kulmbach Gedanken über die zukünftige Antriebstechnik für ihre LKW. Einig war man sich in der Einschätzung, dass ein Ersatz für den vor dem Krieg (und die Südwerke-Benziner) verwendeten Doppelkolbenmotor gefunden werden musste, vor allem wegen seiner niedrigen Drehzahl und der komplizierten Bauart. Die aus Plauen nach Kulmbach geflohenen ehemaligen Vomag-Ingenieure bevorzugten einen Viertakt-Dieselmotor mit dem Wirbelkammerverfahren. Allerdings konnten sie sich gegen die „Kruppianer“ nicht durchsetzen, die den bereits 1938 entwickelten V8- Zweitaktdieselmotor weiter voranbringen wollten. Sie gingen davon aus, dass bei kleinvolumigen Zweitaktern mit niedriger Drehzahl ein geringerer Verschleiß, aber ein höheres Drehmoment und eine größere Literleistung als bei Viertaktern zu erreichen waren. Dafür wurde eine stärkere Geräuschentwicklung gegenüber diesen in Kauf genommen. Krupp und Zweitaktmotoren – das war für die Ingenieure eine untrennbare Einheit. Diese Entscheidung sollte sich ein gutes Dutzend Jahre später bitter rächen.

Zunächst wurde der Dreizylindermotor der Kriegszeit mit 3,1 Litern Hubraum und 70 PS zur Serienreife geführt, dann das Projekt aber nicht weiterverfolgt. Um eine höhere Leistung zu bekommen, wurde ein 4,3-Liter-Motor gleicher Bauart entwickelt, er lieferte etwa 100 PS. Bei beiden Motoren sorgte ein seitlich angebrachtes Roots-Gebläse dafür, dass die Spül- und Verbrennungsluft eingepresst wurde.

Der neue Dreizylinder-Motor legte den Grundstein für eine ganze Reihe weiterer Antriebsaggregate, die nach einem klaren Baukastenprinzip konstruiert waren. Egal, wie groß der jeweilige Motor war, sein Hubraum ging immer von denselben Werten des einzelnen Zylinders aus: 115 mm Bohrung und 140 mm Hub ergaben einen Rauminhalt von 1.454 cm³. Mit der Zylinderzahl multipliziert, kam man zum Hubraum des jeweiligen Motors. Durch die Vereinheitlichung der meisten Bauelemente konnten bei Fertigung und Ersatzteilhaltung erhebliche Kosten eingespart werden.

Der Alliierte Kontrollrat hatte 1946 die Herstellung von Motoren über 150 PS und ihren Einsatz im „grenzüberschreitenden Verkehr zwischen den Besatzungszonen“ verboten. Eine Zeit lang stand die Befürchtung im Raum, dass der Kontrollrat für den Interzonenverkehr sogar nur Dieselmotoren bis zu einer Leistung von maximal 100 PS genehmigen würde. In Kulmbach wurde daher zur Umgehung dieser Vorschrift ein LKW mit zwei Motoren hintereinander entwickelt, bei dem die Kurbelwellen miteinander verschraubt waren. Das bedeutete, dass zwei Nockenwellen, zwei Schmierölkreisläufe, zwei Ölfilter, zwei Ölkühler, zwei Öldruckanzeiger und zwei Einspritzpumpen eingebaut werden mussten. Die Abstimmung zwischen beiden Maschinen, vor allem in Hinblick auf einen synchronen Lauf, war sehr aufwändig, gelang aber nach einigen Experimenten zunächst zufriedenstellend. Zusammen leisteten die Motoren mit ihren 8.724 cm³ Hubraum 190 PS bei 1.700 U/min.

Die Südwerke präsentierten ihre erste Nachkriegsentwicklung stolz auf dem Pariser Autosalon im Oktober 1950. Der L 80 „Titan“ genannte LKW hatte in Deutschland eine Nutzlast von 8 Tonnen, das zulässige Gesamtgewicht lag bei 16 t. Tatsächlich war die Nutzlast häufig geringer, da zunächst noch das Gewicht der Aufbauten abgezogen werden musste. Im Ausland waren z.T. 19 t Gesamtgewicht und eine Nutzlast von 11 Tonnen zulässig. Als Radstände wurden 4200, 5000 und 5650 mm angeboten, neben dem L 80-Fahrgestell wurden der Kipper K 80 (üblicherweise mit dem mittleren Radstand) und die Sattelzugmaschine S 80 mit dem kurzen Radstand verkauft. Für die Bauwirtschaft und den Export wurden zusätzlich Dreiachser produziert.

Aufgrund seiner Leistungsdaten, aber auch wegen der eleganten Linienführung der Motorhaube sorgte der Lastwagen für großes Aufsehen. Unter der Haube war sehr viel Luft, der Kühler stand erst deutlich weiter hinten. Hier hatte eindeutig der Designer das Sagen gehabt. Die für die frühen 1950er Jahre sehr fortschrittlichen und geräumigen Fahrerkabinen in Holz-Stahlblech-Bauweise entstanden zunächst bei Binz in Lorch, später in den Hubertia-Fahrzeugfabriken im bayerischen Küps.

Auf seinem Ruhesitz, Schloss Blühnbach in Österreich, verstarb im Jahr 1950 nach schwerer Krankheit der ehemalige Eigentümer Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. Sein Sohn Alfried saß weiterhin im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg ein. Ende Januar 1951 wurde er durch den amerikanischen Hohen Kommissar für Deutschland, John McCloy, begnadigt und aus der Haft entlassen.

Die alliierte Beschränkung auf 100 Pferdestärken pro Motor kam dann doch nicht, und flugs erhöhten die Ingenieure zum Beginn der Serienfertigung 1951 die Gesamtleistung des SW 6 genannten Motors auf stolze 210 PS bei gleichem Hubraum. Der Titan war damit der stärkste deutsche Lastkraftwagen seiner Zeit und wurde für die Firma ein großer Erfolg; bis heute wird ehrfürchtig von diesem mächtigen LKW geschwärmt. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 58 km/h wurde er als Schnelllastwagen bezeichnet und war vor allem – mit dreiachsigem Anhänger – für den Fernverkehr gedacht. Feuerwehrfahrzeuge sind auf diesem Fahrgestell nicht produziert worden.

Zum 1. Juli 1951 wurden der Sitz und die Verwaltung der Südwerke nach Essen zurückverlegt, nach und nach folgten die Fertigungsabteilungen aus Bamberg und Kulmbach. Zur gleichen Zeit rundete die Firma ihr Programm nach unten ab.

Mit dem L 60 „Mustang“ entstand 1951 ein LKW für eine Nutzlast von 6,5 Tonnen, das zul. Gesamtgewicht lag bei 12,8 t. Er nutzte den nach dem Baukastenprinzip aus dem Titan-Motor abgeleiteten Vierzylinder-Dieselmotor SW 4, der aus 5.816 cm³ Hubraum 145 PS bei 1.700 U/min erzeugte. Angeboten wurden der L 60 mit 4.850 mm Radstand, der Kipper K 60 mit 4.600 mm Achsabstand und die Sattelzugmaschine S 60 mit nur 3.600 mm Radstand. 1952 kam noch eine Langversion L 60 L hinzu, die Langpritschen auf einem Achsabstand von 5.500 mm erlaubte. Ein Jahr später wurde der Mustang zum Siebentonner aufgelastet, ab 1954 waren sogar 7,5 bis 8 t Nutzlast möglich. Damit war der Mustang von der Ladefähigkeit her im Bereich des Titans angekommen, aber deutlich schwächer motorisiert.

Noch etwas kleiner war der L 50 „Büffel“, der als Fünfeinhalbtonner auf den Markt kam. Er verwendete einen Dreizylindermotor SW 3 des Titans, hier standen also 4.362 cm³ Hubraum und 110 PS bei 1.800 U/min zu Buche. Beide Baureihen hatten wegen des Einzelmotors kürzere Motorhauben, die sich aber an das gelungene Design der Titan-Haube anlehnten und auch „viel Luft vor dem Kühler“ aufwiesen. Beim Büffel war zusätzlich die Frontscheibe steiler als bei den anderen beiden Modellen.

Die Südwerke hatten sich mit ihren Neukonstruktionen jetzt klar im Marktsegment der mittleren bis schweren LKW positioniert. Damit schieden sie für den deutschen Feuerwehrmarkt weitgehend aus, der vor allem im Bereich zwischen drei und vier Tonnen Nutzlast angesiedelt war. Entsprechend wenige Fahrzeuge sind gebaut worden.

Die erste von der BF Essen nach dem 2. Weltkrieg beschaffte Drehleiter, eine DL 38 mit fünfteiligem Leiterpark, nutzte ein Südwerke-Fahrgestell vom Typ L 60 Mustang. In der Literatur wird die Leiter immer mal wieder als Titan bezeichnet, was aber definitiv falsch ist. Mit dem Kennzeichen E-2276 war sie bis 1973 im Dienst, ihr Gnadenbrot erhält sie bei einem Sammler in Oldenburg.


DL 38, Südwerke L 60 Mustang, Metz, Baujahr 1951, geliefert an die BF Essen, seit 1973 im Besitz eines Oldenburger Sammlers.


DL 38, Südwerke L 60 Mustang, Metz, 1951, BF Essen. In der Seitenansicht lässt sich die enorme Länge des Fahrzeugs am besten erkennen. Die Leiter ragt kaum nach vorne über die Stoßstange hinaus.


DL 38, Südwerke L 60 Mustang, Metz, 1951, BF Essen. Nach über einem halben Jahrhundert sind nicht mehr alle Aufbaulinien parallel, die es bei der Auslieferung waren. Der Staukasten vor der hinteren Abstützung hat offensichtlich „mal einen mitbekommen“.

Die Stadt Lünen beschaffte 1954 für die Stadtreinigung einen Straßensprengwagen Krupp L 50 Büffel mit einem Wassertank von 5000 Litern. Den Aufbau fertigte Schörling in Hannover. Nach einigen Jahren wurde die „Straßendusche“ der FF Lünen übergeben, die sie mit einem Werfer ausrüsteten und als Zubringerfahrzeug ZB 5000 nutzte. Seit mehreren Jahrzehnten gehört der Sprengwagen nun einem Sammler aus Lage, der daraus optisch einen Tankwagen machte. Die Unsitte, ehemalige Feuerwehrfahrzeuge bei der „Restaurierung“ in normalen Lastwagen zu verwandeln, ist in der Oldtimerszene leider weit verbreitet. Aber immerhin ist dieser Büffel erhalten geblieben.

Ein vergleichbares Fahrzeug, einen ehemaligen Sprengwagen mit 6.000 l Tankinhalt, übernahm 1968 auch die BF Bochum. Das Fahrgestell soll ein Südwerke L 50 gewesen sein, also ebenfalls ein Büffel. Das weitere Schicksal dieser Rarität ist leider bisher nicht bekannt.


Im so genannten Mehlemer Vertrag vom Frühjahr 1953 erhielt Alfried Krupp von Bohlen und Halbach seinen gesamten beschlagnahmten Besitz zurück, allerdings unter der Auflage, die Berg- und Hüttenwerke innerhalb der nächsten Jahre zu verkaufen. Sofort übernahm er wieder die Leitung des Unternehmens, gegen Ende des Jahres setzte er zusätzlich den Manager Berthold Beitz als Generalbevollmächtigten ein. Die Berg- und Hüttenwerke wurden zwar wie verfügt vom Mutterkonzern abgetrennt, letztlich aber doch nicht verkauft. Wieder einmal war es der Konzernleitung gelungen, sich mit den Mächtigen zu arrangieren und die Rechtslage in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Die LKW-Sparte firmierte ab Mitte 1954 unter dem Namen „Fried. Krupp Motoren- und Kraftwagenfabriken“, die Südwerke-Schilder an den Fahrzeugen verschwanden. Gleichzeitig wurden die Motoren umbenannt. Aus dem Dreizylinder SW 3 wurde der D 344, was einen Dieselmotor mit 3 Zylindern (1. Stelle der Zahl) und ca. 4,4 Litern Hubraum (2. und 3. Stelle) kennzeichnete. Der so genannte Mustang-Motor SW 4 hieß fortan D 459 – obwohl es tatsächlich nur 5.813 cm³ waren. Der als Sechszylinder bezeichnete doppelte Dreizylinder-Motor des Titans wurde zum D 688 umbenannt.

Der Titan war zwar ein schönes und leistungsfähiges Fahrzeug gewesen, die Technik mit zwei Motoren hatte sich aber in der Praxis als zu kompliziert erwiesen. Nicht immer war der Synchronlauf optimal gewesen, vielfach hatte es im Dauerbetrieb Zylinderkopfrisse gegeben. Auch das Eigengewicht war im Verhältnis zur Nutzlast letztlich zu hoch gewesen. Da die Konstruktion mit zwei Maschinen wegen der inzwischen gänzlich aufgehobenen Motor-Leistungsbeschränkung entbehrlich geworden war, entwickelten die Krupp-Ingenieure – wieder nach dem Baukastenprinzip mit möglichst vielen identischen Teilen – einen neuen Fünfzylinder-Motor. Er verfügte ganz konsequent über den mit 5/3 multiplizierten Hubraum des Dreizylinders, also 7.270 cm³, und leistete 185 PS bei 1.850 U/min. Seine Bezeichnung war damit auch klar, er wurde D 573 genannt. Das für den neuen Motor ausgewählte Fahrgestell mit 8.400 kg Nutzlast erhielt den Namen „Tiger“.

Ab 1955 änderten sich die Fahrgestellbezeichnungen dahingehend, dass man neben der Ausführung als LKW (L), Kipper (K) oder Sattelzugmaschine (S) jetzt sowohl die ungefähre Nutzlast (1. Ziffer) als auch den Fahrzeugnamen (2. Buchstabe) sowie die Zylinderzahl (2. Ziffer) erkennen konnte.

Als kleinstes Fahrgestell wurde jetzt z.B. der „Widder“ L 5 W 3 als Lastwagen mit 5 t Nutzlast angeboten. Der Büffel war zum Sechstonner L 6 B 3 angehoben worden. Beide Fahrgestelle nutzten weiterhin den schon bekannten Dreizylinder-Motor D 344 mit 4.362 cm³und 110 PS.

Der ursprünglich bei 6.500 kg Nutzlast angesiedelte Mustang war bereits 1953 auf 7 t Nutzlast gebracht worden, nun wurde er zum Achttonner L 8 M 4. Er spielte damit (fast) in derselben Liga wie der bereits vorgestellte Tiger, der Vierzylinder-Zweitaktmotor D 459 war aber noch der gleiche wie in den frühen 1950er Jahren, er leistete jetzt 150 PS bei 1.800 U/min. Der Tiger wurde ab sofort unter der vollständigen Bezeichnung L 5 Tg 8 verkauft.

Alle ab 1955 produzierten Baureihen erhielten eine überarbeitete, verkürzte Motorhaube mit weniger totem Raum vorm Kühler, was im Straßenverkehr eine bessere Rangierfähigkeit brachte und vor allem den sich anbahnenden Seebohmschen Längenbeschränkungen entgegenkam. Die Motorhauben von Tiger und Mustang waren dabei nahezu identisch, was häufig zu Verwechselungen führte und führt.

Eine weitere LKW-Baureihe kam 1956 dazu. Der „Elch“ L 5,5 E 3 mit 5,5 t Nutzlast wurde zwischen dem Widder und dem Büffel angesiedelt und verfügte wie diese über den Dreizylinder-Motor D 344 mit 110 PS. Gleichzeitig wurde der Büffel jetzt zum Siebentonner und hieß fortan L 7 B 3.

Ab 1957 änderten sich die Fahrgestellbezeichnungen erneut, allerdings nur geringfügig: Bei den Tonnagebezeichnungen wurde eine Null angehängt bzw. das Komma entfiel. Der Widder hieß jetzt L 50 W 3, der Elch L 55 E 3 usw.

Erneut entstanden nur wenige Feuerwehrfahrzeuge, fast ausschließlich für die BF Essen. Auf dem „neuen“ Mustang-Fahrgestell K 8 M 4, also eigentlich einem Kipperfahrgestell, baute Metz 1956 zwei DL 30 auf. Sie wurden mit den Kennzeichen E-2301 und E-2345 in Dienst gestellt. Letztere wurde 1977 ausgemustert und 1979 an einen Essener Oldtimerliebhaber verkauft. Über das Schicksal des Schwesterfahrzeugs ist momentan nichts bekannt, vermutlich wurde sie verschrottet.

Auf dem größten von Krupp produzierten Fahrgestell, dem Tiger L 8 Tg 5 entstanden gleich fünf Drehleitern mit 52 Metern Länge. Vier davon wurden als Folgeaufträge der in Teil 28 beschriebenen Lieferung einer Metz-Leiter auf Mercedes-Benz L 315/52 nach China exportiert, versehen mit einem Fahrstuhl an der Leiterunterkante und einer Vorbaupumpe FPV 25/8.

Die fünfte Leiter – auch mit Fahrstuhl, aber ohne Vorbaupumpe – wurde an die Feuerwehr der Hauptstadt der DDR, also nach Ost-Berlin ausgeliefert. Dort war sie notwendig, um den Brandschutz vor allem am Prestigeobjekt „Stalinallee“ sicherzustellen. Es ist nicht ohne Ironie, dass die mächtigsten Drehleitern des größten (west-)deutschen Rüstungsproduzent ausgerechnet von sozialistischen Staaten bestellt wurden. Welche Beweggründe die Verantwortlichen damals hatten und welche Diskussionen dieser Kauf beim „Klassenfeind“ ausgelöst haben wird, ist nicht überliefert.

Bis 1968 blieb die DL 52 in Feuerwehrdiensten, dann wurde sie an das Elektrizitätsunternehmen BEWAG (genaugenommen die BEWAG Ost) weitergereicht. Dort wurde sie durch Entfernen zweier Leiterteile auf nur noch 27 m eingekürzt. Schon 1961 war ihre Auszuglänge nach einem Schaden auf 45 m begrenzt worden. Von der BEWAG gelangte sie später zur Bezirksdirektion Straßenwesen Berlin-Marzahn und von dort 1983 zu einem privaten Berliner Fuhrunternehmer. 1986 war ihre Dienstzeit in Ostdeutschland endgültig beendet. Gegen harte DM wechselte sie zurück in den Westen und wurde in den Fuhrpark des Sammlers Emil Bölling eingereiht. Mit dessen Sammlung gelangte sie ins Fahrzeugmuseum der Alga in Sittensen, nach Böllings Tod 2015 schließlich zum PS Speicher nach Einbeck – selbstverständlich auf eigener Achse.


DL 52, Krupp Tiger L 8 Tg 5, Metz, Baujahr 1956, geliefert an die BF Ost-Berlin, ab 1979 im Dienst der BEWAG-Ost, von 1988 bis 2015 Bestandteil der Sammlung Bölling, zuletzt untergebracht bei Alga in Sittensen. Seitdem gehört die ehemals größte deutsche Drehleiter zum Fundus des PS Speichers in Einbeck.


DL 52, Krupp Tiger L 8 Tg 5, Metz, Baujahr 1956. Leiterstuhl, Zahnkranz, Leiterpark – alles ist eine Nummer größer als bei herkömmlichen DL 30.


Fahrstuhl der DL 52. Es muss schon ein mulmiges Gefühl gewesen sein, unter dem Leiterpark hängend nach oben gefahren zu werden. Gegenüber dem Auf- oder Abstieg auf der schwankenden Leiter war es aber sicher die schnellere und angenehmere Beförderungsmethode.

Die BF Essen beschafte 1958 zwei LF 16 mit Aufbauten von Meyer-Hagen. Dafür wurde das Kipper-Fahrgestell K 60 W 3 verwendet, die Fahrzeuge erhielten die Zulassungsnummern E-2429 und E-2431. Leider können wir keine Fotos dieser ersten Nachkriegs-LF 16 in Essen zeigen, beide wurden verschrottet.

Bis heute erhalten geblieben ist dagegen die so genannte Schaukel, ein Krupp S 60 W 3 Widder als LF 16-TS. Wie die Typenbezeichnung schon aussagt, wurde ein Sattelzugmaschinen-Fahrgestell mit nur 3.500 mm Radstand verwendet. Erschwerend kam hinzu, dass sowohl die TS als auch die Heckpumpe hinten im Aufbau den Schwerpunkt ungünstig verlagerten. Damit war das Fahrzeug zwar extrem wendig, neigte aber zu einer „schwammigen“ Lenkung und schaukelt sich beim Fahren stark auf – eine harte Probe für die Mägen der Besatzung. Das Fahrgestell stammt von 1958, den Aufbau fertigte Metz im Jahr darauf. Mit dem Kfz-Kennzeichen E-2224 wurde es bei verschiedenen Freiwilligen Feuerwehren eingesetzt. Es befindet sich immer noch im Besitz der BF Essen und wurde inzwischen umfangreich restauriert.


LF 16 TS, Krupp S 60 W 3 Widder, Metz, Baujahr 1958 (Fg.), 1959 (Aufbau), eingesetzt bei verschiedenen Freiwilligen Feuerwehren in der Stadt Essen, heute Museumsfahrzeug.


LF 16 TS, Krupp S 60 W 3 Widder. Die Hecktür verschließt den Raum für die TS, hinter der Klappe daneben befindet sich der Pumpenbedienstand.



Parallel zu den nur als Straßenfahrgestell lieferbaren Langhaubern entwickelten die Ingenieure einen hoch geländegängigen LKW, bei dem die Techniker und nicht die Designer die Vorgaben machten. Sicherlich auch im Hinblick auf die inzwischen beschlossene „Wiederbewaffnung“ stellten sie 1953 den Südwerke AL 80 „Drache“ vor, zunächst allerdings als Baustellenfahrzeug. Sehr bald folgte auch eine Kipperversion AK 80. Die Zahl wies wieder auf eine Ladefähigkeit von (fast) 8.000 kg hin, die allerdings nur auf befestigen Straßen erreicht werden konnte. Im Gelände lag sie lediglich bei 6 Tonnen.

Erneut wurde der „Mustang-Motor“ SW4 K mit 145 PS bei 1700 U/min aus 5.816 cm³ Hubraum verwendet. Das zusätzliche K am Ende der Motorbezeichnung wies auf den inzwischen von Krupp entwickelten Kompressor hin, der als Motorbremse genutzt werden konnte. Die Maschine war beim Geländefahrgestell etwas in das Fahrerhaus hineingerückt, so dass der Drache ein Kurzhauber war. Damit wurde ein geringerer vorderer Überhang erreicht, der das Anfahren steiler Böschungen erlaubte. Führerhaus und Motorhaube waren aus flachen Blechen konstruiert worden, die dem Fahrzeug ein sehr kantiges Aussehen gaben. Gleichzeitig wurden auf der Unterseite empfindliche Teile durch Bleche geschützt.

Zur IAA 1955 wurde der Drache überarbeitet. Der jetzt D 459 genannte Motor leistete 150 PS, zusätzlich nutzte man eine größere Bereifung (12.00-24). Mit den Änderungen im Bezeichnungsschema wurde aus ihm der AK 8 Dr 4 – zumindest theoretisch. Tatsächlich sprachen erste Prospekte und Verkaufsunterlagen vom AL 480 bzw AK 480.

Das erklärt auch, warum der ehemalige Kranwagen der BF Essen als AL 480 bezeichnet wurde. Der Aufbau stammte von Ardelt. Die bei Kriegsende aus Eberswalde nach Niedersachsen geflüchtete Familie Ardelt hatte in Osnabrück und Wilhelmshaven neue Werke errichtet, in denen u.a. Kran-Oberwagen hergestellt wurden. 1953 fusionierte die Firma mit den Südwerken, wenig später wurden die Kranwagen unter dem Namen Krupp-Ardelt vermarktet.

Die BF Essen ließ für ihren Kran (vermutlich bei Bauer in Köln) eine verlängerte Kabine bauen, so dass sechs Mann transportiert werden konnten. Zwischen den Feuerwehrangehörigen auf den Rücksitzen war das Dach abgesenkt worden, um Platz für den Ausleger zu schaffen. Im verbliebenen Raum darunter wurde ein 30 kVA-Generator eingebaut, ein Spill vervollständigte die Ausrüstung. Die Hubkraft wurde mit 20 t angegeben, das zul. Gesamtgewicht mit 20.360 kg. Ausgeliefert wurde der KW 20 am 8. März 1955 und war zu dieser Zeit der leistungsfähigste Feuerwehrkran in Deutschland.

Wann genau der KW 20 in Essen ausgemustert wurde, konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden. Sicher ist, dass ihn ein Bochumer Fahrzeughändler 1976/1977 zum Kauf anbot. Im Mai 1979 wurde er letztmalig an anderer Stelle in Bochum gesehen, danach verschwand er endgültig. Es ist davon auszugehen, dass diese Rarität verschrottet wurde.

Nachdem die Essener Berufsfeuerwehr gute Erfahrungen mit ihrem Kran gemacht und auch ein paar Mal im benachbarten Mülheim damit ausgeholfen hatte, beschaffte man auch dort ein solches Gefährt, jetzt auf dem Fahrgestell AK 8 DR 4. Allerdings war der Aufbau eine Nummer kleiner, Ardelt lieferte einen Oberwagen mit einer Hubkraft von nur 15 t. Wegen einiger niedriger Unterführungen musste der Gittermast noch weiter nach unten abgelegt werden als beim Essener KW 20. Das Führerhaus wurde kurzerhand geteilt, Fahrer und Beifahrer konnten sich nur über eine Gegensprechanlage verständigen, die Sicht nach rechts war für den Maschinisten stark eingeschränkt. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei nur 55 km/h, zum Befahren von Autobahnen gab es deswegen eine Sondergenehmigung. Die BF Mülheim übernahm das Fahrzeug im Oktober 1956.

Nach 26 Dienstjahren wurde der Kran 1982 in den Ruhestand versetzt und an das Deutsche Feuerwehr-Museum abgegeben. Dort war man sich des historischen Wertes des Fahrzeugs zwar bewusst, kämpfte aber permanent mit Platzmangel. So wechselte der KW zu Beginn der 1990er Jahre per Tieflader als Dauerleihgabe in die Sammlung von Dr. Hardach nach Oldenburg. Dort wurde er umfassend restauriert und wieder fahrfähig gemacht. Gelegentlich präsentierte er sich auf Oldtimertreffen.


KW 15, Krupp AK 8 DR 4 Drache, Ardelt, Baujahr 1956.Bis 1982 war das Unikat im Einsatz, seitdem ist es Museumsfahrzeug. Hier ist es auf dem Oldtimertreffen anlässlich des 100jährigen Bestehens der BF Oldenburg zu sehen, an dem der gesamte Fuhrpark der Sammlung Hardach teilnahm.

Beim Neubau der Wache der BF Mülheim kam die Idee auf, in der Eingangshalle ein historisches Fahrzeug zu präsentieren. Bald fiel die Wahl auf den KW 15. Kurz vor Fertigstellung der neuen Wache fuhr der inzwischen 54 Jahre alte Kran auf eigener Achse(!) die über 300 km von Oldenburg nach Mülheim. Wenig später rangierte man ihn ins Foyer der Wache, anschließend wurde die Glasfront geschlossen. Jetzt steht der KW 15 dort gut geschützt als Zeitzeuge und begrüßt die Besucher.


KW 15 Krupp Drache bei der Einfahrt ins Foyer der Wache der BF Mülheim im Jahre 2010.


KW 15 Krupp Drache an seinem heutigen Standort im Foyer der Feuerwache Mülheim.

Krupp wollte auch etwas vom „Bundeswehr-Kuchen“ abbekommen und stellte den AL 7 DR 4 sowie den AL 5 Dr 3 in Militärausführung vor. Allerdings konnte das relativ kleine Essener Werk nicht die benötigten großen Stückzahlen garantieren. So blieb es bei einer Serie Kranwagen und einigen Prototypen für die Bundeswehr. 1958 wurde die Produktion des AL 8 Dr 4 komplett eingestellt.

Ein für militärische Zwecke produzierter „Drache“ soll hier noch näher vorgestellt werden. Auf dem Fahrgestell Südwerke AL 480 mit 4.100 mm Radstand und 145 PS baute Metz Anfang 1953 den Prototypen eines Flugfeldlöschfahrzeugs der 1000-Gallonen Klasse nach amerikanischem Vorbild. Die eingebaute Midship-Pumpe MPH 30 leistete 3.200 l/min bei 10 bar, 2.000 l/min bei 20 bar oder 650 l/min bei 40 bar. Angetrieben wurde sie von einem eigenen Motor, also nicht über den Nebenabtrieb des Fahrmotors.

In den Tanks wurden 3500 l Wasser und 365 l Schaummittel mitgeführt, zusätzlich waren 120 kg CO2 an Bord. Über zwei Wenderohre konnte wahlweise Wasser (je 760 l/min) oder Schwerschaum (je 7.000 l/min) abgegeben werden, dazu kamen Schnellangriffseinrichtungen für 120 l/min.

Ende 1953 wurde die militärische Version dieses FLF vorgestellt. Sie unterschied sich optisch vor allem im Bereich der Pumpe von der ersten Ausführung. Es ist nicht ganz klar, ob es sich dabei um ein neues Fahrzeug handelte. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass das obige Fahrzeug nur etwas modifiziert wurde und die verschiedenen bekannt gewordenen Fotos lediglich unterschiedliche Bauzustände zeigen. 1955 erfolgte die Erprobung auf dem Flughafen Zürich, wieder waren die Bedienelemente etwas anders angeordnet.

Nach der Erprobung nahm Metz das etwa 16 Tonnen schwere FLF wieder zurück und verkaufte es im Oktober 1956 an die gerade gegründete Bundeswehr. Diese war zu der Zeit froh über jedes einsatzfähige FLF und stationierte es zunächst auf dem Fliegerhorst Memmingen. Später soll es noch nach Neubiberg verlegt worden sein. Das weitere Schicksal ist unbekannt.

Etwas länger als der Achttonner war bei Krupp der äußerlich gleiche AL bzw. AK 11 Dr 4 im Angebot. Der ab 1957 (andere Angaben: 1954) hergestellte Elftonner nutzte den gleichen Motor wie sein kleinerer Bruder, ab 1958 erhöhte sich die Leistung auf 160 PS. Mit dem wahlweise angebotenen „Tiger-Motor“ (185 PS) wurde der Drache dann zum AL 11 Dr 5 bzw. AK 11 Dr 5. Gegen Ende des Jahres 1960 wurde auch hier die Produktion eingestellt.

(wird fortgesetzt)

Text: Klausmartin Friedrich

Bilder: Dustin Anuschewski, Eckehard Blechner †, Klausmartin Friedrich, Harald Karutz, Stephan Kutsch, Holger de Vries,

Literatur (u.a.):

Gebhardt, Wolfgang H.: Geschichte des deutschen LKW-Baus. Augsburg, 1994.

Hartung, Werner; u.a.: Krupp Nutzfahrzeuge nach 1945 (Brekina-Autoheft Nr. 1). Umkirch, 1989.

Johanßen, Axel: Drachenbändiger; in: Blaulicht, Heft 2/2010.

Regenberg, Bernd: Die deutschen Lastwagen der Wirtschaftswunderzeit, Band 2: Mittlere und schwere Fahrzeuge. Brilon, 1986.


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