Blick gen Osten – Sankt Petersburg

Samstag, 26. Oktober 2019

Blick gen Osten – Sankt Petersburg

Unser Admin Heiner Lahmann hatte vor kurzem die Gelegenheit die Feuerwehr der russischen Großstadt Sankt Petersburg zu besuchen und konnte einige Eindrücke sammeln. Hier nun sein Bericht:

Seit mittlerweile knapp 35 Jahren fotografiere ich nun schon Feuerwehrfahrzeuge in Deutschland und der Welt, hauptsächlich natürlich in Deutschland. Kürzlich stand eine Reise ins russische Sankt Petersburg an und was liegt da näher als bei der Gelegenheit auch der Feuerwehr einen Besuch abzustatten? An dieser Stelle leichter gesagt als getan, neben der sprachlichen Barriere ist die Organisation des Brandschutzes in Russland ein weiteres Problem. Das russische Feuerwehrwesen ist, als Teil des Katastrophenschutzministeriums der Russischen Föderation, eher „militärisch“ organisiert, was Fototermine nicht gerade einfacher macht. Gespräche mit befreundeten Fotokollegen machten mir in der Hinsicht auch wenig Hoffnung und so bleib auch meine erste schriftliche Anfrage in Sankt Petersburg erstmal unbeantwortet. So schnell gebe ich allerdings nicht auf und so wurde mir dann, durch die Pressestelle der Feuerwehr Hamburg und mit Hilfe der Feuerwehrakademie Hamburg, ein deutschsprachiger Kontakt bei der Feuerwehr in Sankt Petersburg „vermittelt“. Nach einer ersten Kontaktaufnahme konnte ich dann auch binnen weniger Tage alles abklären und somit stand einem Fototermin nichts mehr im Wege. Wie sich herausstellte war in meiner Urlaubswoche auch die russische Meisterschaft in Feuerwehrsport in Sankt Petersburg, also neben Fahrzeugen ein weiterer interessanter Termin.

Meine Tour startete an der ehemaligen Feuerwache 9 auf der Wassiljewski-Insel. In der in den Jahren 1882 bis 1884 erbauten und vor einigen Jahren komplett sanierten Feuerwache befinden sich heute nur noch administrative Abteilungen der Feuerwehr, u.a. die Pressestelle, außerdem ist hier das Museum der Feuerwehr Sankt Petersburg untergebracht.

Neben vielen Gerätschaften und Dokumenten sind hier rund 20 Fahrzeuge aus der über 200-jährigen Geschichte des Brandschutzes in Sankt Petersburg ausgestellt. In einer erst vor einigen Jahren extra neu erbauten Museumshalle auf dem Hof befindet sich unter anderem ein perfekt restauriertes Löschfahrzeug auf Mercedes-Benz-Fahrgestell, Baujahr 1975, aus Hamburg.

In den 1990er Jahren wurden einige dieser Löschfahrzeuge aus Hamburg in unsere Partnerstadt als Spende gebracht. Diese Fahrzeuge wurden bis vor einigen Jahren auch noch im Einsatzdienst eingesetzt. Bei der rund einstündigen Führung durch eine Mitarbeiterin der Pressestelle merkte man das man auf dieses Fahrzeug besonders stolz ist. Alle Museumfahrzeuge befinden sich in einem sehr guten Pflegezustand, selbst die Fahrzeuge aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges sind komplett fahrbereit.

Die Ausstattung des Museums befindet sich in einem hervorragenden Zustand, u.a. ist es möglich mit modernsten audiovisuellen Installationen verschiedene Einsatzszenarien aus den letzten Jahrzehnten zu erleben. Wer also mal in Sankt Petersburg ist sollte das Museum unbedingt besuchen, allerdings ist eine vorherige Anmeldung erforderlich!

Als nächstes ging es weiter zu einem Pressezentrum auf dem Newski Prospekt, der wichtigsten Nord-Süd-Achse in Sankt Petersburg. Dort fand die Pressekonferenz zur Eröffnung der 70. Russischen Meisterschaft im Feuerwehrsport statt, hochrangige Vertreter der Stadt Sankt Petersburg und dem für Feuerwehr zuständigen Katastrophenschutzministerium der Russischen Föderation standen zahlreichen Pressevertretern Rede und Antwort.

Feuerwehrsport hat in Russland schon seit vielen Jahren einen hohen Stellenwert und wird nicht nur von aktiven Feuerwehrangehörigen, sondern auch von sportbegeisterten Frauen und Männern als reine Sportart betrieben. Aus allen russischen Gebieten wurden die in regionalen Vorentscheidungen ausgewählten Mannschaften nach Sankt Petersburg entsendet, um in verschieden Disziplinen, wie z.B. Löschangriff, 100-Meter-Hindernislauf, 4x 100-Meter-Feuerwehrstafette und Hakenleitersteigen anzutreten und den russischen Meister zu ermitteln.

Nach der Pressekonferenz ging es nach Kronstadt. Der Weg dahin führte uns am Lakhta Center, dem mit 462 m höchsten Gebäude Europas, vorbei. In dem pfeilförmigen Gebäude befindet sich u.a. das Hauptquartier des russischen Energieunternehmens Gazprom.

Kronstadt ist ein Stadtbezirk von Sankt Petersburg und liegt auf der Ostseeinsel Kotlin vor Sankt Petersburg im Finnischen Meerbusen. Verbunden mit dem Festland ist die ehemals gesperrte Stadt (hier befindet sich ein großer russischer Militärstützpunkt) durch den Petersburger Damm, der gleichzeitig dem Hochwasserschutz dient. Für die Sicherheit Kronstadts mit seinen knapp 43.000 Einwohnern sorgen zwei Feuerwachen: Die Wache 46, nah am Petersburger Damm, und die Wache 47 in der Altstadt von Kronstadt.

An der Feuerwache 46, einem erst vor einigen Jahren im Zuge der Fertigstellung des Dammes eingeweihten Gebäude, sind pro Schicht mindestens zehn Einsatzkräfte im Dienst. Alle 64 Feuerwachen in Sankt Petersburg werden im Vier-Schichtsystem im 24 h-Dienst besetzt. Zum Fuhrpark der Wache 46 gehören insgesamt drei Tanklöschfahzeuge, drei Hubrettungsfahrzeuge und ein Sonderfahrzeug. Im ersten Abmarsch rücken in der Regel je ein Tanklöschfahrzeug und ein Hubrettungsfahrzeug aus. Beim Rundgang durch die Wache kamen wir auch in die Zentrale, einem Raum direkt neben der Fahrzeughalle. Dort sitzt eine Telefonistin, die über das normale Festnetz eingehende Notrufe annimmt und entsprechend der Alarm- und Ausrückeordnung dann die Kräfte an der Feuerwache über Wachalarm alarmiert. Sollte das Telefon der zuständigen Wache besetzt sein oder erfolgt der Notruf aus dem Mobilfunknetz heraus, läuft der Alarm in der Einsatzzentrale der Sankt Petersburger Feuerwehr ein und die Alarmierung erfolgt von dort.

Die räumliche Ausstattung der zweigeschossigen Feuerwache ähnelt denen deutscher Wachen. Neben Aufenthalts-, Büro und Sozialräumen gibt es eine großzügig gestaltete Fahrzeughalle, einen Übungsturm, kleine Werkstätten und ein weitläufiges Gelände mit ausreichend Parkplätzen und Flächen für Übungen. Gewöhnungsbedürftig fand ich einzig den Ruheraum - ein recht großer Raum, in dem sich die Betten für die gesamte Dienstschicht befinden, nur der Wachhabende hat ein separates Zimmer mit Schlafcouch.

In der Fahrzeughalle befinden sich drei Tanklöschfahrzeuge, im russischen Avtocisterna genannt, unterschiedlicher Baujahre und Hersteller. Das erstausrückende TLF ist ein bulliger Ural mit einem 3.000 l Löschwassertank, 180 l Schaumtank und einer 2.400 l/min leistenden Feuerlöschkreiselpumpe.

Die Ausstattung der TLF ist hauptsächlich auf die Brandbekämpfung ausgelegt, für die technische Hilfeleistung stehen ein hydraulischer Rettungssatz und Brechwerkzeuge zur Verfügung.

Sehr interessant fand ich die drei verlasteten „Löschgranaten“. Diese kleinen, rund 3,5 kg schweren Löschbehälter werden, ähnlich einer Handgranate, über eine Reisschnur aktiviert und müssen dann innerhalb von zehn Sekunden in den Brandherd geworfen werden. Durch aktiv werden Aerosole erlöschen die Flammen und eine weitere Ausdehnung des Feuers wird verhindert. Eine „Granate“ soll für eine Raumgröße von 60 m² reichen.

Das zweite TLF ist ein Kamaz mit Aufbau durch eine Firma in Moskau, die eine Kooperation mit der österreichischen Firma Rosenbauer hat. Daher stammen die Pumpe, Karosseriebauteile und weitere Komponenten auch aus Österreich. Das Fahrzeug hat eine kombinierte Normal- und Hochdruck-Feuerlöschkreiselpumpe NH30 (3.000 l/min bei 10 bar bzw. 250 l/min bei 40 bar), eine Schaumzumischanlage, einen 3.200 l fassenden Löschwassertank und einen 200 l Schaummitteltank sowie einen großen Schaum- und Wasserwerfer auf dem Aufbaudach.

Als drittes TLF dient ein ZIL 130 mit einem 2.360 l fassenden Löschwassertank, einem 170 l Schaumtank und einer 2.400 l/min leistenden Feuerlöschkreiselpumpe. Dieses klassische Fahrzeug aus der Sowjetzeit wird allerdings nur noch als Reservefahrzeug genutzt.

An der Wache befinden sich außerdem drei Hubrettungsfahrzeuge.

Neben einer Drehleiter mit einer Rettungshöhe von 31,6 m auf ZIL-Fahrgestell und einem voll geländegängigen Teleskopmastfahrzeug auf Kamaz-Fahrgestell befindet sich hier auch eine von mehreren 55 m-Leitern der Sankt Petersburger Feuerwehr. Der Leiterpark bietet voll ausgefahren einen tollen Blick über Kronstadt und den Finnischen Meerbusen, auch wenn mir bei einen steifen Brise an dem Tag nicht ganz wohl da oben war.

Das im Jahr 2008 von Magirus auf einem Iveco-Fahrgestell aufgebaute Fahrzeug gehört organisatorisch zur Feuerwache 47, da das Fahrzeug aber aufgrund seiner Größe nicht in die Wache in der Altstadt von Kronstadt passt, wurde es an der Wache 46 stationiert. Der Maschinist der DLK 55 kommt aber zu jeder Schicht von der eigentlichen Heimatwache.

In diesem Zuge erfuhr ich das die Maschinisten bei den russischen Feuerwehren tatsächlich nur für die Bedienung der Fahrzeuge zuständig sind.Die universelle Einsetzbarkeit von Feuerwehrleuten wie sie in Deutschland gängige Praxis ist, kennt man in dieser Form in Russland nicht. Außerdem erfuhr ich das die Feuerwehr von Sankt Petersburg zwei „Betreiber“ hat. Zum einen MchS, also das Katastrophenschutzministerium der Russischen Föderation, zum anderen die städtische Feuerwehr von Sankt Petersburg. Die Aufgaben der beiden Feuerwehren sind identisch, nur die Finanzierung erfolgt jeweils aus einem anderen Topf. Allerdings hat MchS noch weitere Aufgaben im Katastrophenschutz von Russland, dafür unterhält das Ministerium an verschiedenen Standorten in Russland eigene Katastrophenschutzstützpunkte mit allerlei Spezialtechnik wie Booten, Hubschraubern und sogar eigenen Flugzeugen. Optisch ist der Unterschied nur an den Aufklebern auf den Fahrzeugen sowie der unterschiedlichen Einsatzbekleidung der Feuerwehrangehörigen zu erkennen.

Das letzte Fahrzeug an der Wache ist ein Kompressor Fahrzeug auf einem bulligen Kamaz-Fahrgestell. Das Fahrzeug, vergleichbar mit einem deutschen GW-Atemschutz, verfügt über diverse Atemluftflaschen für Pressluftatmer und einem leistungsstarken Kompressor zum Befüllen der Flaschen an der Einsatzstelle.

Das Fahrzeug wird in Springerfunktion besetzt. Auf dem Hof hatte ich dann noch die Gelegenheit den Kollegen bei einer gemeinsamen Übung der beiden Kronstädter Wachen zuzuschauen, bis diese durch einen Brandeinsatz beendet wurde. Danach ging es für uns erstmal zum Mittagessen in eine kleine Kantine in einem Industriegebiet von Kronstadt. Vom Flair her erinnerte mich die Kantine an das Kasino in der Peutestraße - die älteren Hamburger unter uns, die noch Ihre Lehrgänge auf der guten alten „Mügge“ gemacht haben, wissen was ich meine. Das typisch russische Essen, es gab u.a. Borsch, war mindestens genauso gut. Nach der Stärkung besuchten wir dann noch die Wache 46, mitten im Zentrum von Kronstadt. Das Gebäude befindet sich mitten in der Altstadt in einem ca. 100 Jahre alten Gebäude. Im Gegensatz zur Wache 47 ist die räumliche Situation in den Remisen als knapp bemessen zu bezeichnen, wenngleich die Wache sich in einem toprenovieren Zustand befindet. Für die Maschinisten ist es eine Herausforderung die Fahrzeuge aus bzw. in die Remise zu fahren. In der Wache befindet sich auch ein kleines Museum, in dem man Bilder und Ausrüstungsgegenstände aus verschiedenen Epochen bewundern kann.

Nach einer kleinen Sightseeingtour durch Kronstadt ging es dann zurück zur meiner Unterkunft im Zentrum von Sankt Petersburg.

Sankt Petersburg:

Sankt Petersburg (russisch Санкт-Петербург) ist mit fünf Millionen Einwohnern die nach Moskau zweitgrößte Stadt Russlands und die viertgrößte Europas. Sankt Petersburg liegt im Nordwesten des Landes an der Mündung der Newa in die Newabucht am Ostende des Finnischen Meerbusens der Ostsee und ist die nördlichste Millionenstadt der Welt. Die Stadt wurde 1703 von Peter dem Großen auf Sumpfgelände nahe dem Meer gegründet, um den Anspruch Russlands auf Zugang zur Ostsee durchzusetzen. Über 200 Jahre lang trug sie den heutigen Namen, von 1914 bis 1924 hieß sie Petrograd (Петроград), und sie wurde von 1924 bis 1991 zu Ehren von Lenin, dem Gründer der Sowjetunion, Leningrad (Ленинград) genannt. Die Stadt war vom 18. bis ins 20. Jahrhundert die Hauptstadt des Russischen Kaiserreiches, ist ein europaweit wichtiges Kulturzentrum und beherbergt den wichtigsten russischen Ostseehafen. Die historische Innenstadt mit 2.300 Palästen, Prunkbauten und Schlössern ist seit 1991 als Weltkulturerbe der UNESCO unter dem Sammelbegriff Historic Centre of Saint Petersburg and Related Groups of Monuments eingetragen.

Text und Bilder: Heiner Lahmann


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