Unterwegs in der Mitte Deutschlands (Teil 3)

Donnerstag, 9. Dezember 2021

Unterwegs in der Mitte Deutschlands (Teil 3) Ortsfeuerwehr Duderstadt

Im dritten Teil über die Exkursion des Jahres 2011 wird die Schwerpunktfeuerwehr Duderstadt vorgestellt.

Gestärkt von belegten Brötchen und Kaffee trafen Karl-Ludwig und ich kurz vor 13.00 Uhr am Feuerwehrhaus der Ortsfeuerwehr Duderstadt ein. Da seit Monaten sich deren Homepage im Wartungsmodus befand, wussten wir nicht genau, was uns erwartete. Ich kannte nur den Funkplan, der verhieß 10 Fahrzeuge.

Trotz genauer Absprache versetzte uns allerdings unser Kontaktmann. Über sein Telefon war er leider nicht zu erreichen, andere Telefonnummern hatten wir uns nicht herausgesucht, denn der Termin war ja fest vereinbart. So kam es, dass wir uns fast eine Stunde lang die Beine in den Bauch standen. Dafür befassten wir uns etwas näher mit dem (in der Mitte des Titelbildes gezeigten) Gerätehaus.

Es lag verkehrsgünstig in der Nähe einer großen Kreuzung am Schützenring, einem Teil der Straße, die an der schönen Altstadt mit ihren zahlreichen Fachwerkhäusern vorbeiführt. Den Platz hatte man bei der Errichtung sehr geschickt gewählt, schnelle An- und Abfahrten waren möglich.

Nach unserer Einschätzung stammte das Feuerwehrhaus vom Baustil her aus dem Ende der 1960er Jahre. Offenbar war es auch schon einmal aufgestockt oder umgebaut worden, denn die Fluchttreppe an der Seite war sicher nicht von vorne herein so geplant gewesen. Für 10 Einsatzfahrzeuge wirkte es auf jeden Fall zu klein. Die Tore selbst kamen uns auch etwas schmal vor. Für Kurz- oder Eckhauber der 1960er und frühen 1970er Jahre waren sie sicher großzügig gewesen, bei moderneren Frontlenkern wurde es schon etwas enger. Das Problem betraf und betrifft auch heute noch viele Tausend Feuerwehrhäuser in Deutschland.

Durch die Milchglasscheiben der fünf Tore an der Vorderseite konnte man Großfahrzeuge erkennen, wir tippten auf einen Löschzug samt Drehleiter, einen Rüstwagen und ein weiteres Ersteinsatzfahrzeug. Damit sollten wir Recht behalten. Auf der Rückseite gab es zwei weitere Tore, das Gebäude war auch groß genug, um zwei Fahrzeuge hintereinander stellen zu können. Aber irgendwo mussten ja auch noch die Umkleideräume der Feuerwehrangehörigen sein, dazu musste man mit Sicherheit nicht die Stahltreppe erklimmen.

Auf dem Gelände standen noch einige Garagen, die aber maximal kleinere MTW beherbergen konnten. Gab es eventuell noch einen anderen Standort, und wir standen jetzt an der falschen Stelle? Ich kontrollierte erneut meine Aufzeichnungen – wir waren richtig. Also half nur geduldiges Warten.

Ein auf dem Hof abgestelltes Spaßmobil der Jugendfeuerwehr wurde jedenfalls schon mal abgelichtet. Derartige Fahrzeuge waren uns schon häufiger begegnet. Engagierte Betreuer von Jugendfeuerwehren planten und bauten sie gemeinsam mit der Jugendlichen. Eine Straßenverkehrszulassung war eher selten.


TLF 1,3/2, Mazda 121, Eigenumbau, Baujahr zwischen 1988 und 1991, Mini-TS, 200l-Wasserfass, 3 D- Anschlüsse außen an der Karosserie


Kurz vor 14.00 Uhr, wir wollten gerade enttäuscht abrücken, kam ein freundlicher Herr mit seinem etwa 10jährigen Sohn vorgefahren. Er war zwar nicht der Gesuchte, hatte angeblich auch keine Zeit, war aber gut im Telefonieren. Das Ergebnis seines Gespräches mit dem Ortsbrandmeister, der von unserem Besuch prinzipiell wusste, war noch viel besser: Unser Kontaktmann, seines Zeichens Gerätewart der Feuerwehr, hatte offenbar völlig vergessen, dass er in dieser Woche Urlaub hatte. Der anwesende freundliche Feuerwehrmann hatte jetzt offenbar aber doch etwas Zeit, uns die Autos zu präsentieren.

Nach und nach fuhr er alle Autos vor die Tür. Während einer von uns die Fahrzeuge jeweils in die günstigste Fotoposition einwies, schrieb der andere die Daten der übrigen Autos auf. Außerdem fotografierten wir die Typenschilder von Fahrgestell- und Aufbauherstellern. Das musste wegen des Zeitdrucks reichen. Auch auf Dachansichten verzichteten wir.

Der Fuhrpark selbst war für uns etwas verwöhnte Raritätensammler weitgehend „guter Durchschnitt.“ Ganz links stand ein TLF 16/25. Geht man von dem zuvor bei der WF Otto Bock fotografiertem MAN-Hauber aus, war es schon das vierte Tanklöschfahrzeug der Ortswehr. (Ob es bereits vor dem MAN ein TLF in Duderstadt gab, konnte nicht festgestellt werden.) Das dritte hatten wir ebenfalls bei der Werkfeuerwehr gefunden, Nr. 2 stand an der Rückseite der Fahrzeughalle, dazu gleich mehr.

Es war ein Mercedes-Benz 1227 AF mit einer Kabine aus der SK-Reihe, von Ziegler 1994 geliefert. Auffällig war der starke Motor, der mit 272 PS erheblich über den sonst üblichen Werten lag.


TLF 16/25, Mercedes-Benz 1227 AF, Ziegler, Baujahr 1994


Das LF 16/12 daneben war auch aus der SK-Serie, aber fünf Jahre jünger. Das sah man ihm deutlich an: breitrippigere Kühlerverkleidung, eine etwas andere Linienführung des Aufbaus und eine integrierte Umfeldbeleuchtung zeugten von den technischen Entwicklungen der späten 1990er Jahre. Was fehlte, war ein Typenschild mit der Fahrgestellangabe. Auch der Fahrzeugschein war auf die Schnelle nicht greifbar. Die zunächst vermutete Folge 1224 AF war nur eine durch unsere Erfahrung geprägte Annahme. Nach Hinweisen auf bestimmte Karosseriedetails durch einen sehr erfahrenen Feuerwehr-Fachbuchautor kann aber von einer noch üppigeren Motorisierung als beim TLF 16 ausgegangen werden: Vermutlich sind es stolze 340 PS!


LF 16/12, Mercedes-Benz 1234 AF (?), Ziegler, Baujahr 1999


In der Mitte der Fahrzeughalle stand die Drehleiter, ein Mercedes-Benz Atego von 2004. Sie war also die Nachfolgerin des jetzt bei der WF Otto Bock stehenden Fahrzeugs. Auch wenn sie weitgehend „von der Stange“ war, der Entwicklungsschub in den letzten 30 Jahren war nicht zu übersehen.


DLK 23-12 PLC 3, Mercedes-Benz Atego 1528 F, Metz, Baujahr 2004


Wie wir vermutet hatten, stand hinter dem vierten Tor ein Rüstwagen, überraschender Weise aber „nur“ ein RW 1. Nachgefragt, warum nicht eine Nummer größer gekauft wurde, haben wir nicht. Aber auch hier hatte wieder Ziegler den Aufbau erstellt.


RW 1, Mercedes-Benz 917 AF, Ziegler, Baujahr 1990


Das Highlight des Fuhrparks stand jedoch hinter dem Tor ganz rechts: ein HLF 20/30-5 auf MAN FE 360 A (zul. GG 18.000 kg) mit Rosenbauer- Aufbau von 2002. An der Planung und Bezahlung dieses Fahrzeuges sollte die WF Otto Bock beteiligt gewesen sein. Genaueres ließ sich vor Ort nicht ergründen, auch den Blick hinter die Rollläden mussten wir uns aus Zeitgründen schenken.

Ein späterer Hinweis eines befreundeten Feuerwehrfotografen ließ mich schließlich in Dirk Wieczoreks Buch "Fahrzeuge deutscher Werk- und Betriebsfeuerwehren" nachschauen, und auf S. 74 wurde ich fündig: Aussehen und Design passten. Dann stammte das Fahrzeug aus derselben Quelle wie der RW-G der WF Otto Bock. Denn aus Philips Semiconductors wurde durch Teilverkauf NXP Semiconductors, bevor das Werk in Böblingen abgewickelt und platt gemacht wurde.

Jetzt verstand ich auch, wieso der Wehrleiter der Werkfeuerwehr davon gesprochen hatte, bei der Beschaffung des HLF mitgewirkt und es dann (auf Anweisung der Geschäftsleitung) 2008 verschenkt zu haben: Die Firma Otto Bock hat beide Autos in Böblingen gekauft und dann das HLF der Ortsfeuerwehr überlassen – sozusagen im Tausch gegen das TLF 16. Daher im letzten Artikel der Hinweis auf die „etwas kompliziertere Geschichte des Tanklöschfahrzeugs.“ Später habe ich im Internet noch einen Bericht von der Übergabe des Fahrzeugs an die Ortsfeuerwehr Duderstadt durch den Geschäftsführer der Otto Bock HealthCare GmbH gefunden.


HLF 20 / 30-5, MAN FE 360 A, Rosenbauer, Baujahr 2002, ex NXP Semiconductors Böblingen 2008


Beim Werkstattwagen, einem handelsüblichen Mercedes-Benz Sprinter, entschieden wir aufgrund der knappen Zeit, ihn in der Halle zu lassen. Ein Foto ist auf der Facebook-Seite der Ortsfeuerwehr zu finden.

Anfangs hatten wir Glück mit dem Wetter, weiterhin verdeckten Wolken den Himmel und wir brauchten die Fahrzeuge deshalb nicht drehen zu lassen. Das sparte nach unseren Erfahrungen jeweils etwa 5 Minuten. Aber der Himmel wurde allmählich dunkler.

Hinter den Toren auf der Rückseite des Gerätehauses stand u.a. ein zum GW-Öl umgerüstetes Tanklöschfahrzeug von 1966, das erwähnte TLF Nr. 2. Gerade, als es herausgefahren worden war und wir die ersten Heckfotos gemacht hatten, begann es wie aus Kübeln zu schütten. Uns blieb nur die Flucht in die Fahrzeughalle.


GW-Öl, Mercedes-Benz LAF 1113/36, Bachert/Eigenumbau, Baujahr 1966, ex TLF 16


Jetzt mussten wir uns noch mehr beeilen, denn der nächste Termin war ja längst abgemacht. Aus den Garagen auf dem Gelände kamen noch ein KdoW und ein MTW zum Vorschein.


KdoW, VW Passat Variant, Eigenausbau, Baujahr ca. 1990


ELW 1, Mercedes-Benz Vito L, Schmitz, Bj.2001

Dann setzten wir uns zu dem weiterhin sehr engagierten Kameraden und seinem Sohn ins Auto und fuhren mit ihnen zum Hof des Stadthauses. Das war nicht, wie ich erst vermutet hatte, das historische Fachwerk-Rathaus am Markt, sondern ein außerhalb des ehemaligen Walls gelegenes Verwaltungsgebäude. Hier standen in zwei Garagen im Hof noch ein kleinerer Gerätewagen-Gefahrgut und ein LF 8 schwer, wieder von Ziegler.

Der Regenschauer hatte die Bewölkung verjagt, jetzt knallte die Sonne. In dem engen Hof des Stadthauses war an ein Umdrehen der Fahrzeuge nicht zu denken, außerdem wurde unser Zeitdruck zunehmend größer. So gelangen uns schöne Sonnenaufnahmen nur von der Beifahrerseite, die andere blieb im Schatten. Das war im Falle des LF 8 s sehr schade, denn zwischen Fahrer-und Mannschaftsraumtür waren hinter einer Klappe die Anschlüsse zum eingebauten Generator angeordnet. Was blieb, waren Gegenlichtaufnahmen.


LF 8s, Mercedes-Benz LAF 911 B, Ziegler, Baujahr 1972,Generator in der Kabine

... mit deutlicher Abgasfahne


Schalt- und Anschlussfläche des Generators

Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Unser Besuch war eine der letzten Gelegenheiten gewesen, die beiden Mercedes-Kurzhauber noch im Einsatzdienst zu fotografieren. Ein Jahr später wurden beide ausgemustert.

Als Ersatz wurde ein Gerätewagen-Logistik angeschafft, mit einer Länge von über 9,6 m ein gewaltiges Fahrzeug. Die ohnehin schon prekären Platzverhältnisse im Gerätehaus wurden noch weiter eingeschränkt.


GW-L, Mercedes-Benz Atego 1226 L, Hartmann Spezialkarosseriebau, Bauj. 2012


Im gleichen Jahr stellte die Ortsfeuerwehr einen Mannschaftstransportwagen in Dienst. Der VW Crafter mit Ausbau von TDS Invents dient nebenbei auch noch als Verstärkung für den ELW 1, indem dort der Atemschutzsammelplatz eingerichtet wird.


MTW, VW Crafter, TDS Invents, Bauj. 2011, i.D. 2012


Zurück zu unserem Fototermin: Zwischendrin legte der Regen noch einmal kurz nach, wir suchten erneut in der Garage Schutz. Das konnten wir jetzt gar nicht gebrauchen. Daher rief ich vorsichtshalber meinen Ansprechpartner bei unserer nächsten Station, der FF Seulingen an, dass wir etwa 15 Minuten später kommen würden. Zu unserem Glück war das für ihn kein Problem.


GW-G1, Mercedes-Benz Sprinter 312 D, Trepte & Ziegler (Mühlau), Baujahr 1999


Auch der GW-G steht heute nicht mehr im Gerätehaus der OF Duderstadt. Das kreiseigene Fahrzeug wurde 2017 oder 2018 zur Ortsfeuerwehr Mingerode umgesetzt. Als Ersatz wurde den Duderstädtern vom Landkreis ein anderes Gefahrgutfahrzeug übergeben, nämlich ein Gerätewagen zur Dekontamination von Verletzen (GW-Dekon-V). Ungewöhnlich wie der Einsatzzweck ist auch das Fahrgestell, ein DAF LF 210 FA. Den Aufbau fertigte Stürenberg (Ankum). Wieder war das neue Fahrzeug größer als der Vorgänger.


GW-Dekon-V, DAF LF 210 FA, Stürenberg, Bauj. 2016


Wo wir gerade schon bei Neufahrzeugen sind: Das Jahr 2021 brachte gleich zwei Veränderungen im Fahrzeugpark der OF Duderstadt. Zunächst war im März die Zeit des „kleinen“ Rüstwagens endgültig abgelaufen. Die Firma Lentner lieferte einen – jetzt vom Landkreis Göttingen beschafften – neuen RW aus. Genutzt wurde dafür ein Scania-Fahrgestell. Im Juni konnte dann der nach 20 Dienstjahren nicht mehr zeitgemäße ELW 1 durch ein modernes Folgefahrzeug ersetzt werden.

Gemäß unserer vorherigen Absprache mit dem Ortsbrandmeister sollte er nach dem Ende unserer Tour eine CD mit den Duderstädter Fotos erhalten, dem Maschinisten sagten wir das als Dank für seine Mühe ebenfalls zu – und hielten beides selbstverständlich auch ein. Zurück am Gerätehaus am Schützenring bedankten wir uns für das tolle Engagement des Kameraden und verabschiedeten uns eilig.

Auf der Fahrt reflektierten wir unsere Eindrücke. Das Feuerwehrhaus war eindeutig zu klein für eine Wehr dieser Größenordnung, die Unterbringung an zwei Standorten auch keine gute Lösung. Unser Maschinist hatte das bestätigt und etwas von sehr lange sich hinziehenden politischen Prozessen gesagt.

Wie langwierig diese Prozesse sein können, sieht man an der weiteren Entwicklung. 2014, also drei Jahre nach unserem Besuch, wurde endlich ein externer Berater von der BF Hannover hinzugezogen, der ein Gutachten für einen Feuerwehrbedarfsplan der Stadt mit ihren 15 Ortsfeuerwehren vorlegte. Darin wurde eine größenmäßig deutliche Veränderung für die Ortsfeuerwehr Duderstadt gefordert.

In den anschließenden Beratungen im Stadtrat wurden dann laut Göttinger Tageblatt als Lösungsmöglichkeiten eine Erweiterung des bestehenden Gebäudes (Kosten etwa 2 Mio. Euro), eine Zusammenlegung mit der in Teil 2 vorgestellten WF Otto Bock oder ein Neubau an anderer Stelle für bis zu 6 Mio. Euro erörtert.

Wieder vergingen etliche Jahre, die Pläne zur Erweiterung der bestehenden Wache wurden offensichtlich konkreter. Gleichzeitig stiegen die Kosten und der Zeitbedarf für einen Umbau des Feuerwehrhauses im laufenden Betrieb. Baubeginn und Fertigstellung rückte in immer weitere Ferne.

Plötzlich gab es aber eine ganz andere Entwicklung: Im August 2020 teilte die Stadt Duderstadt auf ihrer Homepage mit, dass sie ein 10.000 m² großes Grundstück für den Neubau einer „Feuerwehrzentrale“ erworben habe – nur 200m Luftlinie vom jetzigen Standort entfernt. Die Kosten dafür sollen ähnlich hoch sein wie für einen Umbau des bestehenden Hauses, dafür solle es aber erheblich schneller gehen. Man hoffe, das Ende 2023 die Ortsfeuerwehr Duderstadt dorthin umziehen könne.

Wir drücken jedenfalls die Daumen für die Verwirklichung eines zeitgemäßen und den Anforderungen gerecht werdenden Feuerwehrhauses.

(wird fortgesetzt)

Text: Klausmartin Friedrich

Fotos: Rüdiger Barth, Klausmartin Friedrich


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