Den ersten richtigen Einsatzleitwagen (ELW) in ihrer Geschichte, einen ELW 1, konnte die Feuerwehr Neunkirchen im Saarland zum Jahresende 2014 in Dienst nehmen. Bis dahin gab es in Neunkirchen als Führungsfahrzeuge immer nur Kommandowagen (KdoW). Einer davon wurde jedoch etliche Jahre lang als ELW 1 geführt, was nicht unbedingt ein Fehler, sondern gängiger Standard im Saarland war. Bei größeren Einsätzen in Neunkirchen, der immerhin zweitgrößten Stadt im Saarland, musste immer der ELW 1 der Technischen Einsatzleitung (TEL) des Landkreises Neunkirchen aus der benachbarten Stadt Ottweiler anrücken. Weil der ELW der TEL aber auch in die Katastrophenschutzstrukturen des Kreises eingebunden ist, konnte es kein Dauerzustand sein immer auf dieses Fahrzeug zurückzugreifen. Daher begann bei der Feuerwehr Neunkirchen eine kleine Arbeitsgruppe unter Leitung des Funksachbearbeiters im Jahr 2011 mit der Konzeption eines eigenen Einsatzleitfahrzeugs. Schnell zeigte sich: Ein ELW 2 würde zu teuer werden in Relation zur Zahl der entsprechend großen Einsätze. Auf der anderen Seite wäre aber ein normgemäßer ELW 1 viel zu klein gewesen für das Einsatzspektrum der Wehr. Immerhin bewältigt die Neunkircher Wehr jedes Jahr zwischen 350 und 400 Einsätze, darunter immer ein bis zwei Dutzend Großeinsätze. Als Wunschlösung kristallisierte sich im Verlauf der Konzeptionsphase ein sogenannter ELW 1,5 heraus. Also ein Einsatzleitfahrzeug welches sich zwischen den genormten ELW 1 und ELW 2 bewegt. Wichtig waren hier vor allem voneinander getrennte Räume zum Funken und für Besprechungen. Aus dem umfangreichen Konzept ging 2013 schließlich eine Ausschreibung hervor. Bei dieser konnte sich Blickle & Scherer Kommunikationstechnik aus Karlsruhe als Generalunternehmer durchsetzen. Hinter Blickle & Scherer verbirgt sich ein etablierter Anbieter für BOS-Kommunikationstechnik der nach der Übernahme von Schmidt Sonderfahrzeugbau auch den Ausbau kompletter Einsatzfahrzeuge anbietet.
Der ELW 1 für Neunkirchen wurde 2014 von Blickle & Scherer in Zusammenarbeit mit L-K Fahrzeugausbau für die Schreinerarbeiten im Innenausbau auf einem Mercedes-Benz Sprinter aufgebaut. Beim Fahrgestell handelt es sich um einen Mercedes Sprinter 516 BlueTEC mit Automatikgetriebe. Der Kleinbus hat ein Hochdach und einen superlangen Radstand. Dieser ist nötig um dem Fahrzeug die entsprechende Länge zu geben um im Inneren zwei entsprechend dimensionierte Arbeitsräume unterzubringen. Wie für die ungenormte Gattung der ELW 1,5 üblich hat das Neunkircher Fahrzeug räumlich getrennt voneinander einen Funk- und einen Besprechungsraum. Dieses Merkmal findet man nach Norm bei einem ELW 1 so nicht. Der Sprinter ist vollverglast, wobei die seitlichen Scheiben zum Schutz vor neugierigen Blicken dunkel getönt sind. Der Besprechungsraum liegt unmittelbar hinter der seitlichen Schiebetür. In Ihm befindet sich eine Zweiersitzbank, die auch während der Fahrt nutzbar ist, an einem kleinen Tisch. Die Einzelsitze von Maschinist und Fahrzeugführer lassen sich um 180° an den Tisch herumdrehen. Am Tisch stehen ein Funklautsprecher sowie auch ein Flachbildschirm zur Verfügung. Während der Lautsprecher am Tisch selbst auf einen der Funkkreise eingestellt werden kann, wird der Bildschirm vom benachbarten Funkraum aus mit Informationen beschickt. Als Schutz vor Sonne und Regen ist über der Schiebetür eine große Markise angebracht. So ist der Besprechungsraum auch bei geöffneter Schiebetür vor der Witterung geschützt.
Der Funkraum wird durch eine Schiebetür mit Durchreiche vom Besprechungsraum abgetrennt. Längs zur Fahrtrichtung ist auf der linken Fahrzeugseite ein großer Funktisch mit zwei Arbeitsplätzen eingebaut. Beide Arbeitsplätze sind identisch aufgebaut und haben jeweils eine Major BOS-Funkabfragestelle, ein VoIP-Telefon sowie einen Computer mit zwei Flachbildschirmen. Die Computer sind genauso wie die Funkgeräte in einem Serverschrank verbaut. Die beiden Funker können auf insgesamt fünf Digitalfunkgeräte sowie je ein analoges 2 m- und 4 m-Band Funkgerät zurückgreifen. Da im Saarland bereits seit 2012 digital im Wirkbetrieb gefunkt wird, dienen die Analoggeräte nur als Rückfallebene.
Nach eigenem Gusto können die Funker über klassische Funkhörer, Stereoheadsets oder Schwanenhalsmikrofone sowie Hand- oder Fußtaster funken. Zentrales Computerprogramm zur Abwicklung von Einsätzen im ELW ist Fireboard. Mit dem Programm kann ein Einsatztagebuch geführt, aber auch Lagekarten angefertigt werden. Auch das Führen von Einsatzkräften bei Flächenlagen wie Unwettern und Hochwasser ist über Fireboard möglich.
Über ein LTE-Gateway besteht Zugang zum mobilen Internet. Sollte kein Handyempfang verfügbar sein kann über eine Satellitenschüssel von Oyster eine Internetverbindung herstellt werden. Die Sat-Schüssel ist auf dem Fahrzeugdach montiert und richtet sich nach dem Einschalten von alleine aus. Neben der Satellitenschüssel befindet sich auf dem Fahrzeugdach noch eine eigene Klimaanlage für den Funkraum sowie ein elektropneumatisch ein- und ausfahrender Funkmast. Neben Antennen kann der Mast auch eine rote LED-Kennleuchte zur Kennzeichnung der Einsatzleitung und eine fernsteuerbare Überwachungskamera aufnehmen. Mit der Kamera lassen sich Livebilder von der Einsatzstelle in den ELW übertragen. Genutzt wird dies vor allem um im Besprechungsraum eine Übersicht über die Einsatzstelle zu haben. Der Mast wird erst im Einsatzfall mit den benötigten Antennen und Anbaugeräten versehen. Dafür gibt es auf der linken Fahrzeugseite eine Edelstahlhalterung an der die auf dem Fahrzeug mitgeführte Teleskopleiter sicher angelegt werden kann. Vergleichsweise klein fällt der Geräteraum im Fahrzeugheck aus. Der größte hier mitgeführte Gegenstand ist ein kompakter Stromerzeuger von Honda. Auf ein Gerät mit Feuerwehrzulassung wurde hier bewusst verzichtet. Der verladene Stromerzeuger kommt nur am ELW außerhalb des direkten Gefahrenbereiches zum Einsatz. Seine Leistung ist mit 2,5 kVA auf den Strombedarf des ELW abgestimmt.
Besonderes Augenmerk bei der Planung des Einsatzleitwagens wurde nicht nur auf die Kommunikationstechnik, sondern auch auf die optische Erscheinung, insbesondere die Sondersignalanlage, gelegt. Der rot lackierte Sprinter wurde von Design112 mit einem gelben Streifendesign und Warnmarkierungen beklebt. Als erstes Fahrzeug der Feuerwehr Neunkirchen verfügt der ELW 1 nicht nur über eine Konturmarkierung, sondern auch über eine vollflächige rot-gelbe Warnschraffur am Heck. Auch auf der Motorhaube sind schmale Streifen mit der auffälligen Warnschraffur aufgeklebt. Ein kleines, aber interessantes Detail sind die auf den Seiten angebrachten Schriftzüge „Feuerwehr Neunkirchen“ und „Einsatzleitung“ die so ausgerichtet wurden das sich bei geöffneter Schiebetür auf der rechten Seite keine ungewollten Worttrennungen ergeben.
Herzstück der Sondersignalanlage sind zwei Warnbalken DBS 975 LED von Hänsch an Front und Heck. Beide Balken sind mit blauen Zusatzmodulen ausgestattet. Im vorderen DBS-Balken ist zusätzlich ein Powerblitz als leistungsstarker Frontwarner verbaut. Im Heckbalken gibt es stattdessen zusätzliche Fahrtrichtungsanzeiger, eine Verkehrswarnanlage sowie einen Rückfahrscheinwerfer. Ergänzend zum Blaulichtbalken befinden sich an der Fahrzeugfront insgesamt sechs weitere LED-Module. Neben zwei Hänsch Sputnik SL-Frontblitzern im Kühlergrill sind noch zwei Axixtech MS26-Blitzer als Frontblitzer in den Außenspiegeln und als Intersection Lights verbaut. Der Neunkircher ELW ist damit wohl das erste Einsatzfahrzeug im Saarland mit Frontblitzern in den Außenspiegeln und Kreuzungsblitzern. Einer der Hauptgründe dafür sind die teilweise dicht bebauten Kreuzungen im Stadtgebiet sowie das allgemein vergleichsweise hohe Risiko bei Überholmanövern während Sondersignalfahrten. Für die Akustik auf der Einsatzfahrt sorgen ein klassisches Martinhorn und ein Elektrohorn von Hänsch.
Gesteuert werden die Sondersignalanlage sowie auch verschiedene Fahrzeugsonderfunktionen wie Umfeldbeleuchtung und Verkehrswarnanlage über ein CANbus-Bedienteil von edsc. Das Bedienteil lässt sich sehr frei konfigurieren. Schaltet man im ELW bei gelöster Handbremse das Blaulicht ein, werden automatisch alle Blaulichter am Fahrzeug aktiviert. Zieht man bei eingeschaltetem Blaulicht die Handbremse und legt den Parkgang ein schalten sich die Frontblitzer sowie der Powerblitz im vorderen Warnbalken ab. Die Verkehrswarnanlage und die Umfeldbeleuchtung lassen sich zum Beispiel auch nur im Stand bei gezogener Handbremse einschalten. Den Funktionszustand der einzelnen Sonderfunktionen zeigen verschiedene Farben in den Tastern an. Ausgeschaltet leuchten alle Sondersignalfunktionen blau, die anderen Funktionen gelb. Aktiviert man eine Funktion leuchtet die Taste grün. Weitere kleine edsc-Bedienteile befinden sich im Besprechungs- und Funkraum. Von diesen lassen sich beispielsweise die Lichter in den einzelnen Räumen steuern.
Der ELW 1 der Feuerwehr Neunkirchen wurde im Löschbezirk Wellesweiler stationiert. Er kommt bei allen größeren Einsätzen im gesamten Stadtgebiet von Neunkirchen zum Einsatz. Besetzt wird das Fahrzeug durch eine Gruppe speziell geschulter Feuerwehrangehöriger aus dem Löschbezirk Wellesweiler. Geplant ist mittelfristig aber eine ELW-Gruppe mit Personal aus der gesamten Wehr aufzubauen.