Die Haubenfahrzeuge der Nachkriegszeit - Teil 24

Mittwoch, 21. Juni 2017

Die Haubenfahrzeuge der Nachkriegszeit - Teil 24 - Mercedes-Benz L 3500 und L 311 (Baujahre 1950-1961) bei anderen Behörden und Organisationen

Der Dreieinhalbtonner von Mercedes Benz wurden in den 1950er Jahren auch durch andere Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben beschafft. Allerdings geschah das in weit geringerem Umfang als bei den Feuerwehren. Zusätzlich ist Fotomaterial von diesen Fahrzeugen sehr rar. Dennoch können hier ein paar Beispiele gezeigt werden.

Die Zweckallianz der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs zur Niederschlagung der nationalsozialistischen Herrschaft zerbrach sehr schnell nach Kriegsende. Spätestens die Berlin-Blockade vom 24. Juni1948 bis 12. Mai 1949 zeigte deutlich die Spaltung in zwei Blöcke und markierte den Beginn des so genannten Kalten Krieges. Aufgrund alliierter Bestimmungen durfte die im Mai 1949 neu gegründete Bundesrepublik ebenso wenig eigene Truppen besitzen wie die im Oktober desselben Jahres gegründete Deutsche Demokratische Republik.

Militärische Führungskreise in den USA empfahlen aber bereits im Mai 1950 die Aufstellung einer westdeutschen Bundespolizeitruppe, die einerseits die Grenzen (vor allem gegenüber der DDR) schützen sollte, andererseits auch bei Unruhen in der Bundesrepublik eingesetzt werden konnte. Ausdrücklich wurde dies bereits als erster Schritt zu einer Wiederbewaffnung gesehen.

Der im Sommer 1950 ausgebrochene Koreakrieg beschleunigte die Vorbereitungen ganz erheblich, ab März 1951 wurden die ersten Verbände des Bundesgrenzschutzes aufgestellt. Führer und Unterführer waren vor allem ehemalige Offiziere und Unteroffiziere der Deutschen Wehrmacht, erster Inspekteur wurde ein ehemaliger Infanteriegeneral.

Das war erst möglich geworden, nachdem Dwight D. Eisenhower, zu der Zeit Oberbefehlshaber der NATO, im Januar 1951 Bundeskanzler Adenauer gegenüber eine so genannte Ehrenerklärung für die deutschen Soldaten des 2. Weltkriegs abgegeben hatte. Damit standen sie nicht mehr unter Generalverdacht, willige Werkzeuge der nationalsozialistischen Diktatur gewesen zu sein. Das war simpler Pragmatismus der NATO-Führung: Die ehemaligen Feinde wurden jetzt von den USA als Verbündete benötigt.

Der neu aufgestellte Bundesgrenzschutz wurde mit leichten und mittleren Infanteriewaffen ausgerüstet und war so weniger eine Polizeitruppe als ein paramilitärischer Verband. Primäre Aufgabe war eindeutig der Schutz der (Ost-) Grenze Erst ab den späten 1980er Jahren wandelte sich das, führte zu einer polizeiähnlichen Uniformierung und fand schließlich 2005 durch die Umbenennung des BGS in Bundespolizei seinen „offiziellen“ Abschluss.

Bis 1956 war der BGS auf eine Stärke von über 16.000 Mann angewachsen. Mit der Gründung der Bundeswehr und damit der endgültigen Wiederbewaffnung wechselten zum 1. Juli 1956 etwa 9.500 von ihnen dorthin – und nahmen einen Teil ihres Fuhrparks und der Ausrüstung mit. Auf diese Weise gelangten einige Fahrzeuge der BGS-Erstausstattung auch zur Bundeswehr, wo sie nach Zuführung eigener LKW-Modelle zügig wieder verschwanden.

Nicht nur das Führungspersonal des jungen BGS hatte Weltkriegserfahrung, auch die Konzeption mancher Fahrzeuge erinnerte stark an die Zeit vor 1945. Aus diesem Grund ein Blick auf die Seite unserer Kollegen von polizeiautos.de: Der Aufbau des mittleren Funkkraftwagens auf Mercedes-Benz L (oder LA) 3500/36 sah von hinten nicht wesentlich anders aus als zehn Jahre zuvor gebaute Wehrmachts-LKW. Etwas moderner wirkte dieser Küchenkraftwagen auf Mercedes-Benz L 3500/36, der 1956 vom BGS zu Bundeswehr wechselte.

Ein ehemaliger Fernsprechbautruppwagen des Bundesgrenzschutzes auf Mercedes-Benz L 311/36 überlebte als Feuerwehrfahrzeug bei der FF Stöcken im Landkreis Uelzen. Dort wurde das Fahrzeug zum TSF umgerüstet und tat in dieser Funktion etwa 20 Jahre Dienst.


TSF, Mercedes-Benz L 311/36, Blumhardt, Baujahr 1958, geliefert an den Bundesgrenzschutz als Fernsprechbaukraftwagen. Nach seiner Aussonderung übernahm die FF Stöcken das Fahrzeug und nutzte es als TSF. Heute gehört es zur Sammlung des Technikmuseums in Prora auf Rügen.

Ebenfalls auf eine BGS- Vergangenheit blickt der Funkkraftwagen zurück, der in den 1980er Jahren beim Malteser-Hilfsdienst in Hamburg beheimatet war. 1961 war der Mercedes-Benz LA 311/42 ausgeliefert worden.


Mittlerer Funkkraftwagen, Mercedes-Benz LA 311/42, Aufbauhersteller unbekannt, Baujahr 1961, ursprünglich Indienststellung beim BGS, später an den MHD Hamburg abgegeben.

Die Bereitschaftspolizeien der Länder beschafften ebenfalls Mercedes-Benz-Dreieinhalbtonner. Einerseits dienten sie als normale Lastwagen für verschiedene Transportaufgaben, aber auch als Mannschafts- oder Funkkraftwagen. Beispiele der Bereitschaftspolizei Hessen finden sich hier.

Die Berliner Polizei hatte ab den 1950er Jahren eine ganze Reihe von Drei- und Dreieinhalbtonnern verschiedener Hersteller (Ford, Magirus, Mercedes-Benz) als Mannschaftstransportwagen für jeweils zwei Gruppen im Einsatz. Bei Demonstrationen in den 1960er und 1970er Jahren sah man sie häufig mit heruntergelassenen Seitenklappen, hochgeknöpfter Segeltuchplane und aufgesessenen Bereitschaftspolizisten irgendwo am Straßenrand stehen. Der letzte Zeitzeuge dieser Fahrzeuge gehört heute zur polizeihistorischen Sammlung in Berlin.


Mannschaftstransportwagen Mercedes-Benz L 311/36, Aufbau: Musigk und Haas (Berlin), Baujahr 1955, Bereitschaftspolizei Berlin, heute Bestandteil der polizeihistorischen Sammlung.

Bei länger andauernden Einsätzen müssen die eingesetzten Beamtinnen und Beamten irgendwann auch einmal zur Toilette. Ist der Einsatzort – man denke nur an die Auseinandersetzungen um die Baustellen der Kernkraftwerke in den 1970er und 1980er Jahren oder die Castortransporte nach der Jahrtausendwende – fernab jeglicher Zivilisation, so ist das Vorhalten geeigneter Fahrzeuge eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Polizei Hamburg hatte dafür bis vor wenigen Jahren u.a. einen Mercedes-Benz L 311/42 als Toilettenwagen im Dienst, der aus einem handelsüblichen Transport-LKW entstanden war.


Toilettenwagen, Mercedes-Benz L 311/42, Eigenumbau aus LKW, Baujahr 1959.

Von historischen Fotos her sind Wasserwerfer auf Mercedes-Benz Langhaubern mit etwa 4000 Litern Tankinhalt bekannt. Ungeklärt ist aber bisher, wer für die Aufbauten verantwortlich zeichnete und in welchen Bundesländern sie angeschafft wurden. Vielleicht kann ein User hier helfen.

Eines der formschönsten Polizeifahrzeuge seiner Zeit war der ehemalige Fernmeldebetriebsbus der Hessischen Landespolizei. Auf einem Fahrgestell Mercedes-Benz L 3500/42 von 1952 erstellte die Karosseriefabrik Voll (Würzburg) ein Jahr später den Aufbau. Seit 1996 gehört das nach wie vor komplett ausgestattete Einzelstück zur Sammlung des Polizei-Motorsport-Clubs Marburg e.V. der sich auf den Erhalt historischer Polizeifahrzeuge spezialisiert hat.

Für seinen ab 1953 aufgestellten Hilfszug beschaffte das Deutsche Rote Kreuz eine Reihe von Spezialfahrzeugen. Eines davon war der Instandsetzungstruppkraftwagen mit der Nummer 509, der auch das Titelbild dieses Artikels lieferte. Genutzt wurde ein 1952 produziertes Mercedes-Benz Fahrgestell vom Typ LA 3500/42. Den Aufbau des zunächst grau lackierten Fahrzeugs soll die Firma Miesen erstellt haben, das exakte Baujahr ließ sich bisher nicht ermitteln. Die in der Literatur gefundenen Angabe „1955“ ist auf jeden Fall falsch. Als Jahr der Erstzulassung ist eindeutig 1953 nachgewiesen. An beiden Seiten des Aufbaus sind  die ausländischen Einsatzorte notiert: Korea 1954, Budapest 1956, Hamburg 1962, Türkei 1970.

Gleichzeitig wird mit der Aufschrift ein Stück Geschichte dokumentiert: Der damalige Bundeskanzler Adenauer bot den USA nach dem Ende des Korea-Krieges an, in Südkorea ein Lazarett zur Versorgung der Millionen Verwundeten und Flüchtlinge des Krieges zu errichten. Um den friedlichen Charakter des deutschen Engagements zu verdeutlichen, bekam das Deutsche Rote Kreuz den Auftrag dazu und betrieb von 1954 bis 1959 ein Lazarett in Pusan. Dass der Instandsetzungswagen nicht der einzige Mercedes-Benz vor Ort war, belegt ein Bild von dort.

Bereits vor Schließung des Lazarettes in Pusan muss der Spezial-LKW wieder nach Deutschland zurückgekehrt sein, denn im November 1956 wurde er zusammen mit anderen Hilfszugkomponenten während des Ungarn-Aufstandes in Budapest eingesetzt. Nach der Sturmflut vom 16./17. Februar 1962 wurde der Instandsetzungswagen in Hamburg dringend benötigt. Der letzte Auslandseinsatz erfolgte nach dem verheerenden Erdbeben 1970 in der Türkei.

Der Instandsetzungswagen wurde 1988 vom DRK an einen Privatmann in Münster verkauft, der ihn aber nur ein Jahr angemeldet nutzte. Danach stand er 19 Jahre trocken abgestellt in einer Halle und sprang beim Verkauf an einen anderen Sammler nach Einbau neuer Batterien sofort an. Aktuell hat das Fahrzeug nur knapp 31.000 km auf dem Tacho und ist fahrbereit.


Instandsetzungstruppkraftwagen, Mercedes-Benz LA 3500/42, Baujahr Fahrgestell 1952, Aufbau vermutlich von Miesen, spätestens 1953 gebaut, geliefert an das Deutsche Rote Kreuz und dort als Hilfszugfahrzeug 509 in Dienst gestellt. Nach der Ausmusterung seit 1988 in Sammlerhand.

Der Hilfszugwagen 508 war übrigens ein Mercedes-Benz L 3500/36 als Küchenwagen. Es ist davon auszugehen, das noch wesentlich mehr Typen des Dreieinhalbtonners den Weg zu BOS-Institutionen fanden, Fotos davon liegen aber leider nicht vor. Auch hier sind die User aufgerufen, aktiv mitzuwirken.

(wird fortgesetzt)

Text: Klausmartin Friedrich

Bilder: Wolfgang Barnitzke, Klausmartin Friedrich, Claus Tiedemann

Literatur (u.a.):

Schmidt, Hans-Jürgen: Wir tragen den Adler des Bundes am Rock – Chronik des Bundesgrenzschutzes 1951–1971, Coburg 1995.


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