Die Haubenfahrzeuge der Nachkriegszeit - Teil 22

Dienstag, 25. April 2017

Die Haubenfahrzeuge der Nachkriegszeit - Teil 22 - Mercedes-Benz L 3500 und L 311 (Baujahre 1950-1960) als Schlauchkraftwagen

In den 1950er Jahren war das bundesdeutsche Wasserversorgungsnetz bei weitem noch nicht so gut ausgebaut wie heute. Nur in den Städten gab es ein funktionierendes Hydrantennetz, das meistens aber nicht in die Stadtrandlagen hinausreichte. Auf dem Lande waren Hausbrunnen die Regel, die Wasserversorgung im Brandfall erfolgte aus offenen Gewässern, aus Seen, Flüssen oder den zahlreichen künstlich angelegten Feuerlöschteichen. Eine Wasserförderung über lange Wegstrecken war häufig das einzige Mittel der Wahl.

Neben einer ausreichenden Zahl von Feuerlöschpumpen waren dafür vor allem große Schlauchmengen erforderlich. Aus diesem Grund gehörten seit Beginn des organisierten Feuerlöschwesens Schlauchkarren oder Schlauchwagen zur Standardausrüstung der Wehren. Während der Zeit des Nationalsozialismus waren Schlauchkraftwagen über das Reichsluftfahrministerium in größeren Stückzahlen beschafft worden. Trotz erheblicher Kriegsverluste standen sie nach 1945 noch vielerorts im Dienst. Notfalls ließen sie sich sogar als Hilfslöschfahrzeuge einsetzen, denn mit den häufig verlasteten Tragkraftspritzen mit Zubehör, Verteilern und Strahlrohren ließ sich ein Löschangriff aufbauen.

Ein Bedarf an neuen Schlauchwagen bestand unmittelbar nach Kriegsende nur in geringem Maße. Zunächst war die Anschaffung von Tanklöschfahrzeugen, Löschgruppenfahrzeugen oder Drehleitern wichtiger. Erst ab Mitte der 1950er Jahre machte sich der hohe Abnutzungsgrad der bis in den Krieg hinein produzierten Altfahrzeuge bemerkbar, und es kam zu ersten Neuanschaffungen. So verwundert es nicht, dass in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1950 und 1960 nur etwa drei Dutzend neue Schlauchkraftwagen von kommunalen Feuerwehren in Dienst gestellt wurden. Sie verteilten sich etwa zu gleichen Teilen auf Fahrgestelle von Magirus und Mercedes-Benz.

Während der Zeit des Nationalsozialismus waren die Schlauchkraftwagen nach weitgehend einheitlichen Musterzeichnungen gebaut worden und so faktisch genormt gewesen. Eine derartige Norm bestand in den 1950er Jahren nicht, und auch in die Vornorm von 1957 wurden die Schlauchwagen nicht aufgenommen. Infolgedessen gab es auch keine einheitlichen Bezeichnungen, mal wurde von Schlauchwagen (SW) geredet, mal von Schlauchkraftwagen (SKW). Erst nach 1960 wurde es aufgrund der dann gültigen Norm üblich, die (ungefähre) Gesamtlänge der mitgeführten B-Schläuche als Zahlenangabe an die Bezeichnung SW anzuhängen.

Der langjährige Kooperationspartner der Daimler-Benz AG, die Firma Metz, produzierte den Hauptanteil der Aufbauten auf dem Mercedes-Benz-Dreieinhalbtonner. Bis Anfang 1955 hieß dieses Fahrgestell L 3500, es wurde jedoch – soweit bekannt – nicht für Schlauchwagen verwendet. Der erste bei Metz gebaute Nachkriegs-Schlauchkraftwagen wurde Ende 1955 als Ersatz für einen völlig verschlissenen ehemaligen Luftwaffen-Schlauchtender an die FF Hameln geliefert. Er nutzte ein Fahrgestell vom Typ Mercedes-Benz L 311/42, die verwendete Staffelkabine entsprach der auch bei Tanklöschfahrzeugen genutzten Bauart. Zusätzlich eingebaut war ein Generator. Als Besonderheit verfügte der SKW über zwei Räder am oberen Ende der Heckklappe, die zum Öffnen nach unten geklappt wurde. So konnten im Heckbereich gelagerte fest gekuppelte Schläuche während langsamer Fahrt ausgelegt werden.Der SKW wurde bis 1985 genutzt und dann ersetzt, aber von einem Mitglied der FF Hameln erhalten.


SKW, Mercedes-Benz L 311/42, Metz, Baujahr 1955, FF Hameln, seit 1985 als Oldtimer abgestellt. Am Heck ist eines der beiden Räder sichtbar.

Ein nahezu baugleiches Fahrzeug wurde noch im gleichen Jahr bei der FF Detmold in Dienst gestellt, allerdings nur mit einem Rad oben an der Heckklappe.


SKW, Mercedes-Benz L 311/42, Metz, 1955, geliefert an die FF Detmold, dort bis 1984 im Einsatz, heute im Besitz eines Sammlers.


SKW der FF Detmold. Gut zu erkennen ist die unten angeschlagene Heckklappe mit dem „Schubkarrenrad“ am oberen Ende, das als Laufrad während des Auslegens der Schläuche diente.

Aus dem Hause Metz soll zu diesen SKW die Rede gewesen sein von einer Kleinserie aus vier Exemplaren auf L 311/42 bzw. LA 311/42. Bisher ist jedoch nur ein weiteres Fahrzeug aufgetaucht: Ein intern als Gerätewagen-Schlauch (GW-S) bezeichneter Schlauchkraftwagen auf Mercedes-Benz LAF 311/42 mit Metz-Aufbau wurde 1956 an die FF Tuttlingen ausgeliefert. Auch er besaß die Einzelradkonstruktion auf der Heckklappe.

Im 2. Weltkrieg hatte sich gezeigt, dass das Mitführen der Schläuche in gerollter Form im Einsatzfall sehr personalintensiv und zeitraubend war. Jeder B-Schlauch musste einzeln entnommen, an seinen Einsatzort gebracht, ausgerollt und gekuppelt werden. Man bevorzugte daher ein Auslegen der Schlauchleitung, evtl. sogar von zweien gleichzeitig, vom fahrenden Fahrzeug aus. Die letzten Schlauchkraftwagen der Kriegsproduktion waren bereits so konstruiert gewesen, und auch in der Nachkriegszeit wurde zunehmend diese bis heute übliche Einsatztaktik favorisiert. Den größeren Zeitaufwand zum erneuten Beladen der Schlauchwagen nach dem Einsatz nahm man dafür gerne in Kauf.

Der erste Schlauchkraftwagen mit Truppbesatzung auf einem Mercedes-Benz L 311/42 wurde 1956 bei Metz aufgebaut und an die BF Essen geliefert. Er führte 1200 m B-Schlauch mit sich. Der größte Teil davon lag gekuppelt und in Buchten im hinteren Teil des Aufbaus, um während der Fahrt entnommen werden zu können. Während seiner Einsatzzeit von fast 40 Jahren wechselte der SKW mehrfach seinen Standort, die letzten Jahre war er bei verschiedenen Freiwilligen Feuerwehren der Stadt Essen stationiert.


SKW, Mercedes-Benz LF 311/42, Metz, Baujahr 1956, zunächst BF Essen, später verschiedene FF der Stadt Essen, ausgemustert 1994. Auffällig sind die beiden Astabweiser zum Schutz des Blaulichtes. Ursprünglich saß hier ein Auer-Blaulicht mit zwei übereinanderliegenden Linsen.

Ein Jahr später stellte die BF Karlsruhe einen SKW auf dem gleichen Fahrgestell in Dienst, von dem leider keine Bilder zur Verfügung stehen. Es folgte ebenfalls 1956 ein Schlauchwechselwagen, der an den Kreis Lippe ausgeliefert wurde. Hier hatte man wieder die alte Beladeweise mit seitlich verlasteten Rollschläuchen gewählt, da das Fahrzeug in erster Linie dem Nachschub diente und nicht für das Auslegen über lange Strecken gedacht war. Vor der Stoßstange war eine Seilwinde montiert. Später kam das Fahrzeug zur FF Barntrup, bei der es als SW 1500-T bezeichnet wurde.

Die BF Frankfurt erwarb bei Metz 1959 und 1960 je einen Schlauchkraftwagen auf Mercedes-Benz LF 311/42, die wiederum überwiegend seitlich be- und entladen werden mussten. Der Schlauchvorrat soll 2000 m B-Schlauch nahe gekommen sein.

Der letzte an eine deutsche Feuerwehr ausgelieferte SKW auf einem Mercedes-Benz Langhauberfahrgestell wurde 1960 vom Landkreis Helmstedt in der dortigen FTZ stationiert. Das Fahrgestell war bereits im Vorjahr beschafft worden, nun hatte Metz den Aufbau erstellt. Mit dem SKW ließen sich 2000 m B-Schlauch, gekuppelt und in Buchten gelagert, während der Fahrt über das Heck auslegen. Seitlich war die TS eingeschoben. Bis 1994 blieb der Schlauchwagen im Dienst, dann wurde er an einen Sammler verkauft.


SKW, Mercedes-Benz LAF 311/36, Metz, Baujahr 1960, FTZ Helmstedt, seit 1994 in Sammlerhand.

Das vermutlich erste Großfahrzeug, das die Fabrikhallen von Ziegler verließ, war ein Schlauchkraftwagen mit Staffelbesatzung für den damaligen Landkreis Heidenheim. Aufgebaut wurde der 1957 produzierte SKW auf einem Mercedes-Benz LAF 311/42. Wieder konnte die Heckklappe nach unten hin geöffnet und dann mit einem Laufrad stabilisiert werden. Das Fahrzeug endete als Wohnmobil, mit dem Oberteil eines Citroen 2 CV („Ente“) auf dem Aufbaudach.

Auch von Bachert gibt es einen Schlauchwagen. Dem in Ludwigsburg stationierten Mercedes-Benz LAF 311/36 von 1961 wird immer wieder nachgesagt, er sei im "ersten Leben" ein Tanklöschfahrzeug oder Gerätewagen gewesen. Diese Bemerkungen finden sich auch in Teilen der Fachliteratur, auf die wir zunächst auch hereingefallen sind. Intensive Recherchen einiger Fahrzeugliebhaber haben diese Aussage inzwischen widerlegt. Das vorhandene Bachert-Typenschild weist ihn als "SW 2" mit der Fabrikationsnummer 707/61 aus - kaum vorzustellen, dass Bachert nachträglich ein neues Schild eingebaut hat. Seinen Dienst verrichtete der Schlauchwagen mindestens eine Zeit lang bei der Abteilung Oßweil. 1988 hat man ihn dort durch ein Neufahrzeug ersetzt, seitdem wird er als Oldtimerfahrzeug in Ludwigsburg erhalten.


SW 2000, Mercedes-Benz LAF 311/36, Bachert, Baujahr 1961, FF Ludwigsburg, seit 1988 Museumsfahrzeug.

Einige ehemalige Löschgruppenfahrzeuge, vor allem aber Tanklöschfahrzeuge wurden später zu Schlauchwagen umgebaut. Ein paar Beispiele sollen hier gezeigt werden. Die FF der Stadt Werl nutzte ihr 1953 gebautes Omnibus-TLF auf Mercedes-Benz LF 3500 als kombinierten Schlauchwagen und Gerätewagen-Öl. Mitgeführt wurden 840 m B-Schlauch.


SW 840 / GW-Öl, Mercedes-Benz LF 3500/42, Metz, Baujahr 1953, ehemaliges TLF 15, FF Werl, Eigenumbau durch Wehrmitglieder, seit 2001 in Privatbesitz.

Aus ihrem Löschgruppenfahrzeug des Baujahres 1955 (Mercedes-Benz LAF 3500/42) gestalteten die Feuerwehrleute der FF Wülfrath durch Änderung der Beladung einen Schlauchwagen SW 1000.


SW 1000, Mercedes-Benz LAF 3500/42, Metz, Baujahr 1955, geliefert als LF 15 an die FF Wülfrath, Eigenumbau.

Die Freiwillige Feuerwehr im hessischen Birstein nutzte ihr Tanklöschfahrzeug im „zweiten Leben“ ebenfalls als Schlauchwagen. 1957 wurde das TLF 16 auf Mercedes-Benz LAF 311/42 von Metz geliefert, erstaunlicherweise noch in der alten Bauart mit stahlblechbeplanktem Holzrahmen und zweiteiliger Frontscheibe. Üblich war zu dieser Zeit schon die Gemischtbauweise, bei der der Aufbau als Ganzstahlkonstruktion entstand und die Kabine eine große Frontscheibe besaß. Nach 25 Jahren „Wassertransport“ wurde das Fahrzeug 1982 in Eigenleistung zum Schlauchwagen umgebaut, um weitere 28 Jahre Dienst zu tun. Seit der Ausmusterung im Jahre 2010 ist der Oldtimer im Besitz des Museumsvereins Sotzbacher Feuerwehrscheune e.V.


SW 1000, Mercedes-Benz LAF 311/42, Metz, Baujahr 1957, ehemaliges TLF 16 der FF Birstein, 1982 Eigenumbau zum Schlauchwagen, ausgemustert 2010, seitdem von einem Museumsverein erhalten. „GN“ ist das ehemalige Kennzeichen des Landkreises Gelnhausen, welches inzwischen im Main-Kinzig-Kreis wieder zulässig ist.

Noch heute im Einsatz ist das 1956 von Metz gebaute TLF 16 der FF Freudenstadt, welches Anfang der 1980er Jahre von den Einsatzkräften zum Schlauchwagen SW 1000 umgebaut wurde. Die Hecktür wurde dabei durch einen modernen Aluminium-Rolladen ersetzt, um ungehindert während der Fahrt die Schlauchleitung auslegen zu können.


SW 1000, Mercedes-Benz LAF 311/36, Metz, Baujahr 1956, ehemaliges TLF 16 der FF Freudenstadt, seit mehr als 30 Jahren inzwischen als Eigenumbau im Dienst.

Wie schon ihre Vorgänger aus den Jahren vor 1945 waren auch die Nachkriegsschlauchwagen sehr lange im Dienst. Ihre geringen Einsatzzahlen und die Tatsache, dass sie im Normalfall nicht als Ersteinsatzfahrzeuge ausrücken mussten, erlaubte es, auch ältere und damit langsamere Gefährte Jahrzehnte lang genutzt werden konnten. Das Freudenstädter Fahrzeug ist dafür das beste Beispiel.

Anmerkungen:
Freundlicherweise stellte Ulrich Niehoff nach der Erstveröffentlichung des Artikels noch ein Foto des SKW der FF Hameln zur Verfügung, so dass es - einschließlich leichter Textänderungen eingepflegt werden konnte.

Nach intensiven Recherchen einiger Fahrzeugliebhaber wurde der Text zum Ludwigsburger SW 2000 inzwishen ebenfalls geändert.

(wird fortgesetzt)

Text: Klausmartin Friedrich

Bilder: Eckehard Blechner † , Klausmartin Friedrich, Oliver Horbach, Karl Müller, Ulrich Niehoff, Norbert Siegler, Claus Tiedemann.

Literatur (u.a.):

Johanßen, Axel: Ziegler – 50 Jahre Fahrzeugbau für die Feuerwehr. Nümbrecht, 2003.


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